Fallschirm gegen Flügel 2:2

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Der Raumgleiter ist tot, es lebe der Raumgleiter. Trotz allen Jubels um die Leistung von SpaceX will sich nicht die gesamte US-Raumfahrtindustrie damit abfinden, zukünftig wieder das unelegante Landeverfahren aus den Tagen von Mercury, Gemini und Apollo zu praktizieren und nach dem Abschluss eines Raumflugs in irgendeinem Ozean fernab der Heimat ins Wasser zu plumpsen.

Der "Dragon" landet 800 Kilometer vor der kalifornischen Küste

Für so manche wertvolle Materialprobe die von der ISS kommt, kurzlebige, temperatur- und stoßempfindliche Proteinkristalle beispielsweise, könnte eine Wasserung weitab vom Land mit stundenlangem Bergemanöver und nachfolgend tagelangen weiteren Transporten mit Schiff, Hubschrauber, Flugzeug und Auto tödlich sein.

Und was wohl die Passagiere bevorzugen werden? Unter einem Fallschirm hängend in einen Ozean fallen, Rettungswesten anziehen und hoffen, dass sich da draußen ein Schiff befindet das einen aufgabelt, die Wellen mal nicht gerade vier Meter hoch sind (zu Zeiten der Kapsel-Ära, in den sechziger und siebziger Jahren, sind in mehr US-Astronauten seekrank als raumkrank geworden) und die Haie heute früh hoffentlich schon gefrühstückt haben.

 

Der "Dragon" wird aus dem Wasser gehievt

Oder doch lieber das Raumfahrzeug einfach am Ende der Rollbahn über eine Gangway verlassen und dann in einen Minibus steigen, der einen zum Terminal bringt?

Die Frage ist noch offen. In diesen Tagen geht das CCD-Programm der NASA in die zweite Runde. CCD, das heißt: Commercial Crew Development, und dafür will die US-Raumfahrtbehörde 2011 mindestens 200 Millionen Dollar ausgeben. Im Februar 2010, bei der ersten Runde, gab es schon mal 50 Millionen Dollar. Die Absicht der NASA: Ein Feld von Unternehmen dafür vorzubereiten, ein kommerziell betriebenes, bemanntes Raumtransportsystem zu schaffen.

Vier Bewerber für Fluggeräte (und einige weitere für Subsysteme) sind inzwischen öffentlich bekannt. Und es gibt wahrscheinlich mindestens einen fünften, denn der geheimnisvolle Unbekannte – niemand anders als Blue Origin – dürfte auch diesmal mitspielen und sagt bloß nichts.

Vor der ersten Runde sah es so aus, als wäre nichts anderes als eine Kapsel gefragt. Man orientierte stark am Constellation-Programm und der Maßgabe der NASA, dass nur eine Kapsel und sonst nichts sicher genug sei. Doch jetzt sieht es so aus, als würde mindestens die Hälfte der Fluggeräte ihre Mission standesgemäß auf der Rollbahn eines Flughafens beenden wollen.

Vor wenigen Tagen meldete sich die Orbital Sciences Corporation (OSC) mit einem Deltaflügler niedriger Flächenbelastung im Wettbewerb des CCD-Programms. Dass Orbital mitmachen würde, war schon einige Zeit klar, allerdings rechnete man damit, dass das Unternehmen das derzeit in fortgeschrittener Entwicklung befindliche Cygnus-Versorgungssystem für die ISS einfach um eine Landekapsel erweitern würde. Stattdessen griff OSC aber in die Ablage mit den "Verlorenen Angeboten" und holte ein Konzept hervor, mit dem sie zehn Jahren zuvor bei der NASA abgeblitzt waren. Damals war die Weltraumbehörde noch in der "Vor-Columbia-Ära" und diskutierte gerade die zeitliche Ausdehnung des Shuttle-Programms bis über das Jahr 2020 hinaus.

Spaceplane von Orbital Sciences

OSC’s noch namenloses Fluggerät steht in direkter Konkurrenz zum "Dream Chaser" von Sierra Nevada, dem Entwurf, der in der ersten CCD-Runde das mit Abstand meiste Geld bekommen hatte, nämlich 20 Millionen Dollar.

"Dream Chaser" von Sierra Nevada

Soweit die beiden bekannten Spaceplanes.

Auf der Kapsel-Seite hat das CST-100 Konzept von Boeing und Bigelow gute Chancen. Es ist dies eine klassische Raumkapsel, die in der Größe zwischen der Orion des Constellation-Programms und der Apollo-Kapsel liegt. Der andere Bewerber mit einer Kapsel-Lösung ist SpaceX, hinlänglich bekannt für seine erfolgreichen Testflüge in diesem Jahr. Sollte SpaceX Geld aus dem CCD-Topf bekommen, dann werden sie es in ein Lebenserhaltungs- und Rettungssystem ihrer kürzlich erfolgreich im Weltraum getestete Dragon-Kapsel stecken.

CST-100 von Boeing

Der Joker ist einmal mehr die geheimnisvolle Blue Orgin. Niemand wusste, dass sie sich an der ersten Runde der CCD-Ausschreibung beteiligten, bis im Februar bekannt wurde, dass sie 3,7 Millionen Dollar für ihre Idee eines Rettungssystems für ein bikonisches Konzept – einer Art Mischung aus Kapsel und Lifting Body – gewannen. Man geht davon aus, dass sich Blue Origin auch an dieser zweiten Runde beteiligen wird. Sicher kann aber niemand sein, weil Blue Origin grundsätzlich alle Arbeiten hinter dicht verschlossenen Türen durchführt.    

Im März 2011 will die NASA ihre Entscheidung kund tun (wenn sie denn endlich ihr Budget freibekommt). Es wird erwartet, dass die 200 Millionen an zwei oder drei Firmen verteilt werden, um ihre Entwürfe weiter zu entwickeln.

Das Gute an der privaten Raumfahrt ist aber, dass die Unternehmen nicht auf die NASA warten. Ausschreibungen wie die des CCD werden gerne mitgenommen, aber auch wenn die eine oder andere Firme bei den Mittelzuwendungen nicht dabei ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie ihre Entwicklungen daraufhin einstellt.

Vor allen Dingen redet man untereinander. Orbital Sciences und die Sierra Nevada Corporation haben in diesen Tagen ein weitreichendes Abkommen mit Virgin Galactic abgeschlossen. Darin will Virgin nicht nur die Sitze in diesen Raumfahrzeugen vermarkten, sondern überdies das Doppelrumpf-Trägerflugzeug WhiteKnightTwo für die Testflüge des Dream Chasers und des OSC-Vehikels in der Atmosphäre – es geht hier um die Erprobung der Anflug- und Landephase dieser Fahrzeuge – zur Verfügung stellen. Im Fall des Dream Chasers von Sierra Nevada, der ein Hybridtriebwerk sehr ähnlich dem von SpaceShipTwo einsetzt, können in der Erprobungsphase auch suborbitale Flüge mit Raketenantrieb vom WhiteKnightTwo aus durchgeführt werden. Sierra Nevada hat große Erfahrung mit Hybridtriebwerken. Dieses Unternehmen liefert auch die Antriebseinheiten für Virgin Galactics suborbitales SpaceShipTwo.

Die erneute Hinwendung zum "Gleiter", mit einem Landeverfahren ähnlich dem des Shuttle, hat sich in den letzten Monaten mehr und mehr gezeigt. Der erfolgreiche Flug der X-37B hat mit dazu beigetragen, die Stimmung zu wenden.

Während aber Boeing weiterhin das klassische US-Landeverfahren für bemannte Raumkapseln propagiert, erkennt auch Elon Musk den Trend zu Punktlandung. Bei der Pressekonferenz nach dem erfolgreichen Flug seines Dragon erklärte er, dass das Landeverfahren seiner Kapsel inkrementell zu verbessern gedenke. Ging seine Kapsel beim ersten Flug noch 800 Kilometer vor der kalifornischen Küste im Pazifik nieder, will er schon eine der nächsten Landungen in unmittelbarer Küstennähe wagen. Bald danach will er auf Land niedergehen.

Zielgenau genug scheint Elon Musks Raumfahrzeug schon jetzt zu sein. Bei der ersten Mission betrug die Abweichung vom vorgesehenen Landepunkt ganze 800 Meter und selbst die dürften zum großen Teil auf die Winddrift der am Fallschirm hängenden Kapsel zurückzuführen sein.

Und für die Zukunft seiner Dragon-Kapsel sieht Musk Landungen gänzlich ohne Fallschirme. Das Raumfahrzeug soll sich zunächst dem Erdboden im freien Fall nähern, nur durch den Luftwiderstand gebremst, und am Ende mit Hilfe von Retroraketen  punktgenau auf einem Helipad aufsetzen. Das hört sich abenteuerlich an, ist aber so abwegig nicht, denn auch die Russen untersuchen derzeit für ihren Sojus-Nachfolger ein rein raketengestütztes Landeverfahren. Sollte es soweit kommen, dann wäre die Kapsel wieder im Vorteil gegenüber dem Gleiter.

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

12 Kommentare

  1. Sicherheit

    Es gibt keinen Grund, warum eine Kapsel unbedingt im Wasser landen muss. Dass die von den USA gestarteten bemannten Kapseln dies bis jetzt taten, war eine Design-Entscheidung. Es gibt schon gar keinen Grund, warum eine Kapsel weitab vom Zielgebiet landen muss.

    Dass dies auch anders geht, zeigt das russische Sojus-System, deren Kapseln regelmäßig innerhalb eines eng umschriebenen Gebiets unweit des Weltraumbahnhofs Baikonur niedergeht – es sei denn, etwas geht schief, dann landet die Kapsel woanders, aber das kann ebenso auch mit einem geflügelten System passieren …

    … das allerdings nur, wenn ein geflügeltes System es im Falle eines Problems überhaupt noch heil zum Boden schafft.

    Bemannte Kapseln haben dagegen gezeigt, dass selbst nach schweren Fehlfunktionen, in deren Folge die Eintrittskapsel verkehrt herum in die Atmosphäre eintrat, immer noch eine hele Landung der Astronauten möglich ist. Beispiele hierfür sind das Sojus-Raumschiff, aber auch schjon der allererste bemannte Weltraumflug von Wostok 1 mit Juri Gagarin an Bord.

    Hinzu kommt, dass Kapselsysteme ihren Sicherheitsvorteil nicht nur beim Wiedereintritt und der Landung ausspielen, sondern bereits beim Start. Nur mit einem Kapsel-System ist es möglich, die Besatzung in jeder Phase des Aufstiegs zu retten, selbst wenn die Rakete gar nicht erst vom Boden wegkommt, sondern gleich nach dem Start in Flammen aufgeht. Auch hier hat das Sojus-System eindrucksvoll unter Beweis gestellt, welchen gewaltigen Sicherheitsvorteil ein Kapselsystem hat, den ein viel komplexeres und schwereres geflügeltes System nie wird aufholen können.

    Mag sein, dass es einzelnen Wissenschaftlern lieber sein wird, ihre Nutzlast landet daunenweich auf einer Landebahn.

    Wiegt deren Vorliebe aber mehr als – X37 hin oder her – die Kopfschmerzen der versammelten Ingeniere und Sicherheitsverantwortlichen, die auf eine ganze Menge Fragen keine Antwort geben können, beispielsweise darauf, wie ein geflügeltes System die Sicherheit beim Start gewährleistet, wie der deutlich komplexere und empfindlichere Hitzeschild eines geflügelten Raumschiffs beim Start geschützt werden kann, wie die aerodynamischen Störungen durch die Flügel auf das Startsystem aufgefangen werden können, ohne dass man das Raumschiff dorthin setzt, wo es maximal gefährdet ist, nämlich neben die Rakete, statt obendrauf, wo es hingehört und so weiter, und so fort .. bis hin zur Frage, wie man der Mannschaft auch nur die Chance des Überlebens geben will, wenn ihr geflügeltes, antriebsloses Raumschiff auch nur 50 Meter links oder rechts vom anvisierten Landepunkt aufsetzt oder gar, wenn es eine Außenlandung machen muss, wo es die Landebahn nicht erreicht. All das ist bei einer Kapsel gar kein Problem. Bei einem gefügelten Raumschiff wären selbst solche Versagensfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich.

    Ich kann mir kein Szenario vorstellen, bei dem der Aufwand, mit einer Kapsel das Ziel einer punktgenauen Landung (wobei selbst ein Kilometer Abweichung kein Problem sein sollte) dem Aufwand eines geflügelten Systems auch nur annähernd nahekommt – bei immer noch deutlichen Vorteilen in der Sicherheit.

    Ich gehe davon aus, dass sich diese Sicht endgültig durchsetzen wird, allemal nachdem, wie Eugen es beschreibt, SpaceX seinen Dragon entsprechend weiter entwickelt haben wird.

    Liebe Leute, die Technik ist mittlerweile so weit, dass selbst auf dem Mars schon an Landungen innerhalb einer Fehlerellipse von nur ca. 10 km Größe gedacht werden kann – in einer viel weniger bekannten Atmosphäre und ohne GPS und ähnliche Hilfsmittel.

    Es ist da schon gar nicht plausibel, dass irgendetwas auf der Erde technisch der Realisierbarkeit eines zur punktgenauen Landung fähigen Kapselsystems entgegensteht.

  2. Sicherheit II

    Ich bin auch schon gespannt, wie die Entscheidung ausfallen wird, würde aber jede Wette darauf eingehen, dass die NASA mindestens ein geflügeltes System weiter fördern wird. Da ist – gerade unter den Ingenieuren – eine erhebliche emotionale Komponente mit im Spiel.

    Ich denke aber, dass ein Umdenken auch in den USA möglich ist, sobald mal eine Kapsellandung (mit Fallschirm) auf dem Gelände eines Flugplatzes (sagen wir mal: 3 x 3 Kilometer)erfolgreich demonstriert worden ist. Das wäre eine publicity-trächtige Aufgabe für einen der kommenden SpaceX Dragon-Flüge.

    Eine raketengestützte Landung a la Buck Rodgers (das sehe ich aber die nächsten fünf Jahre nicht) auf dem erwähnten Helipad würde die Stimmung sicher vollständig umschlagen lassen. So was “Schickes” sieht dann wieder mehr nach Raumflug aus und weniger nach Lastenabwurf.

  3. Was geht heute schon?

    Eine weiche Punktlandung wäre keine wirkliche technische Herausforderung, allemal auf der Erde. Eine bemannte Kapsel macht ja im Allgemeinen keinen rein ballistischen Eintritt.

    Schon die Apllo-Kapseln erzeugten nicht unbeträchtlichen Auftrieb und benutzten den während der Hyperschallphase, um den Eintrittskorridor etwas breiter zu machen und die G-Belastung zu verringern. Die Sojus macht das genauso.

    Dies ließe sich auch dazu nutzen, die Landestelle genauer zu treffen, zumal man in der Überschallphase (wenn in Punkto G-Belastung und thermische Lasten schon alles gelaufen ist) durch geschickte Auftriebsmodulation kleinere Zielungenauigkeiten noch ausbessern kann.

    Das bedarf noch nicht einmal großer Veränderungen der Hardware – es lässt sich durch entsprechende Auslegung des Steuerungssystems bewerkstelligen, ist also in erster Linie eine Softwarelösung.

    Wir werden – ich habe es angesprochen – Ähnliches in den kommenden Jahren am Mars sehen, wie bereits erwähnt. Der nächste NASA-Marslander MSL (aka “Curiosity”) wird durch Lagemodulation in der Hyperschallphase, vor allem aber durch angepasste Wahl des Zeitpunkts zum Ausfahren des Fallschirms eine Reduktion der Unsicherheitsellipse um eine Größenordnung erzielen, damit läge die Landegenauigkeit am Mars schon unter 10 km. Und das an einem anderen Planeten, bei Ankunft aus dem hyperbolischen Anflug. Auf der Erde geht noch viel mehr, ohne Neuentwicklung, einfach nur durch Anwendung von Techniken, die man bereits hat.

    Was die weiche Landung angeht: Bekanntlich reduziert das Sojus-System durch Zündung von Feststoffraketen kurz über dem Boden die Aufprallgeschwindigkeit um 50%. Das ist natürlich etwas primitiv – Feststoffraketen sind nicht dosierbar! Es ist Technik der 60er.

    Die NASA-Marssonde Phoenix hat 2008 bereits eine weiche Landung auf dem Mars auf einem Triebwerksstrahl hingelegt.

    http://www.kosmologs.de/…ein/2008-05-24/phoenix1

    Eigentlich haben das die Viking-Sonden bereits in den 70ern demonstriert. Also auch hier nichts wirklich Neues und keine wirkliche technische Herausforderung. Allenfalls ist es eine Sicherheitsfrage: Möchte man explosive und toxische Treibstoffe in den Mengen, die man für eine weiche Landung braucht, in der Kapsel mitschleppen? Etwas davon braucht man ohnehin für die Lageregelung, bei der weichen Landung braucht man aber mehr.

    Dass die Abwägung zwischen Flügel oder Kapseln eine emotionale Komponente beinhaltet, sehe ich nicht. Die Diskussion ist in der Regel rein technisch gepägt. So auch hier. Ingenieure sind nüchterne Leute. Austrautauten auch.

    Ein US-Astronaut, den ich in diesem Punkt zu seinen Präferenzen fragte, antwortete schulterzuckend: “Kapseln oder Flügel? Ist mir egal, solange man die Leute in jeder Situation des Fluges heil ‘rauskriegt.”

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es sollte, in Stein gemeißelt, in jeder Raumfahrtagentur und jedem mit bemannter Raumfahrt befassten Unternehmen aufgehängt werden und die Mitarbeiter sollten dieser Inschrift jeden Morgen und jeden Abend huldigen, am Besten auch noch in den Kaffee- und Mittagspausen.

    Am Ende ist es das, was zählt: Habt ihr die Leute heil ‘rauf und heil wieder ‘runtergebracht?

    Um den Fußballer Hans Krankl zu zitieren: “Alles andere ist primär.”

  4. Hans Krankl

    Hans Krankl scheint für diese Diskussion besonders geeignet zu sein, denn er nahm auch einige dazu passende Musiktitel auf, unter anderem „Rostige Flügel“ und „Da Batmän bin i“.
    Was die Ingenieure betrifft, so kenne ich einige, die eine elegantere Lösung bevorzugen würden, selbst wenn sie ein geringfügig höheres Risiko hätte und die solche Szenarien gerade in der Kaffeküche am liebsten diskutieren.
    Auch die Kapsel hat ihre Landetragödien gehabt, wie man an Sojus 1 und Sojus 11 sieht. Ein paar weitere Vorfälle gingen nur mit einigem Glück glimpflich ab, wie zum Beispiel die Landung im Tengis-See von Sojus 23. Und Leute wie Sigmund Jähn, von Größe und Statur her eigentlich ideale „Käpsele-Typen“ hätten heute ihre Rückenprobleme nicht, wenn die Sojus-Landungen nicht so beinhart wären. Amerikanische Astronauten, die mit der Sojus fliegen, vergleichen die Sojus-Landung nicht von ungefähr mit einem Auto-Unfall.

    Franz Viehböck, Österreichs ersten und einzigen Kosmonauten, konnte ich zu dem Thema mal sprechen, und er meinte zur Qualität der Landung nur trocken, sie wäre „spuatlich“ (sportlich) gewesen.

    Jede NASA-TV-Übertragungen einer Sojus-Landung befasst sich ausführlich mit der Qualität von Kapsel-Landungen und all das führt dazu, dass sich jeder US-Raumfahrtingenieur im „Descent- and Landing“-Bereich automatisch nach Alternativen umguckt und die Möglichkeit einer Gleitfluglandung nicht wegen eines einzigen Unfalls für alle Zukunft ausschließen will. Da ist die Massen-Pönale wegen der Flügel noch eher ein Argument, das zählt.

    In punkto Landepräzision hat der Mars natürlich einen entscheidenden Vorteil: Man kann die Winddrift vernachlässigen. Die macht, wenn wie im Apollo-Programm (oder bei Sojus), die Hauptschirme in vier Kilometer Höhe geöffnet werden, ganz ordentlich was aus.

    Alles in allem denke ich aber auch, dass die Diskussion von selbst abebben würde, sobald demonstriert wird, dass die Kapsel physiologisch verträgliche, punktgenaue „Land“-Landungen in einer infrastrukturell gut ausgestatteten Recovery-Zone zulässt.

  5. Respekt vor russischer Technik, aber …

    So sehr ich die solide russische Technik bewundere, und die Leute, die sie geschaffen haben … den Endpunkt der Technik stellt sie sicher nicht dar.

    Die Sojus bremst durch kleine Feststoffraketen ab, die durch einen Sensor mit einer radioaktiven Quelle ausgelöst werden. Kommt die Kapsel dem Boden nahe, wird ein Teil der Strahlung zurückgestreut, das System weiß: “Aha, der Boden ist nah” und die Bremsrakete zündet.

    Das ist sehr robust und ausfallsicher, aber sicher nicht besonders elegant. Es ist sicher nicht so, um einen anderen großen Denker des Fußballs (Andi Möller) zu zitieren, dass hier schon ein technisches “Limit erreicht wäre, wo es im Moment nicht drüber geht”. Mittlerweile sind Landeradars und regelbare Triebwerke etablierte Technik. Siehe Phoenix.

    Sojus 1 – das war ein unverantwortliches Risiko, der Start eines noch halbfertigen Raumschiffs aus politischen Gründen. Sowas darf man nie machen, mit gar keiner Art von Raumschiff. Wenn ich mit meinem Auto mit losen Radmuttern auf die Autobahn fahre und erwartungsgemäß verunglücke, liegt das auch nicht an der Bauweise des Autos.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Soyuz_1#Background

    Sojus 11 – ein defektes Ventil, das zum Druckabfall führte. Das hat nur bedingt mit der Frage Kapsel oder Flügel zu tut – allenfalls insofern, als das Raumschiff aus drei Modulen besteht.

    Sojus 23 – das war eine schwere Panne, die zu einer Außenlandung führte, in diesem Fall in einem See. Wichtiger als die Frage der Panne ist aber doch wohl der Punkt, dass die Mannschaft überlebte. Bei einer solchen Bruchlandung mit einem Kliper, einem Hermes oder gar einem Shuttle Orbiter würde ich keine großen Erwartungen hegen, dass das so glimpflich abgeht, eher im Gegenteil.

    Dann sollte man auch Sojus 18a nennen: Oberstufe der Rakete explodiert, Kapsel kommt irgendwo in der Pampa runter und die Astronauten überleben.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Soyuz_18a

    Was mit einem geflügelten System in so einem Fall passiert, hat Challenger nachdrücklich demonstriert.

    Und natürlich ist auch Sojus T-10-1 zu nennen: Rakete explodiert auf der Startrampe, aber das Rettungsystem zieht die Kapsel mit der Mannschaft drin sicher ‘raus.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Soyuz_T-10-1

    Dazu gibt es kein Äquivalent mit einem geflügelten System, weil es dort nämlich auch keine realistische Möglichkeit zu dieser Art von Rettungssystem gibt.

    Noch einmal: Wir reden hier nicht von einem kleinen oder theoretischen Sicherheitsvorteil. Wir reden hier von einem fundamentalen Unterschied. Kapselsysteme sind sicherste mögliche Art, Menschen heil in den Weltraumj und heil wieder zurück zu bekommen.

    Geflügelte Systeme sind fundamental und prinzipiell wenigfer sicher. Wahrscheinlich muss man sogar sagen: Geflügelte Systeme sind unsicher.

    Alles in allem denke ich aber auch, dass die Diskussion von selbst abebben würde, sobald demonstriert wird, dass die Kapsel physiologisch verträgliche, punktgenaue „Land“-Landungen in einer infrastrukturell gut ausgestatteten Recovery-Zone zulässt.

    Dazu, ob eine solche Demonstration mit existierender Technik möglich ist, zitiere ich wieder den bekannten Denker Andi Möller:

    “Vom Feeling her hab’ ich ein gutes Gefühl”.

  6. Horizontale Starts und Landungen

    Als kleines Kind, lange bevor ich zum ersten Mal in ein Flugzeug eingestiegen bin, fragte ich meine Eltern, ob denn in so einem Flugzeug für jeden Passagier ein Fallschirm vorhanden wäre für den Fall eines Flugzeugabsturzes. Ich war dann ganz erstaunt, dass das nicht der Fall ist.

    Inzwischen ist mir natürlich klar, dass solche Rettungsfallschirme bei Flugreisen nur dann eine zusätzlich Sicherheit bieten würden, wenn alle Passagiere vorher ein entsprechendes Trainingsprogramm absolviert hätten.

    Solange bemannte Raumflüge nur von Personen durchgeführt werden, die über die nötige Zeit und das Geld verfügen, um sich viele Monate wenn nicht sogar Jahre darauf vorzubereiten, sind Raumkapseln akzeptabel. (Der deutsche Astronaut Ulf Merbold, der zweimal mit dem Shuttle und einmal mit der Soyus im Weltraum war, hat allerdings keinen Zweifel daran gelassen, welches System er bevorzugt!)

    Auf längere Sicht wird aber der Wunsch bestehen, auch ohne langwieriges Astronautentraining Weltraumflüge durchzuführen. Auch wird die Turn-around Zeit für die Wirtschaftlichkeit solcher Flüge eine Rolle spielen, nach der ein Transportsystem für den nächsten Flug bereit ist. Hier werden wir vermutlich nicht nur eine horizontale Landung sondern auch einen horizontalen Start mit geflügelten Transportern benötigen.

    Genauso, wie wir ohne spezielles Training und Rettungsfallschirm in einen Ferienflieger steigen, werden wir in Zukunft wohl auch in einen Raumgleiter steigen, selbst wenn dabei ein verglichen mit heute jahrelang trainierten Astronauten höheres Sicherheitsrisiko entsteht.

    Für suborbitale Flüge macht ja Virgin Galactic mit Space Ship 2 bereits den Anfang. Sollte das in den nächsten Jahren ein Publikumserfolg werden, könnte das einen Standard setzten, der auch von Orbitalflügen erwartet wird.

    Ein interessantes senkrecht startend und landendes System, das möglicherweise relativ bequeme und wirtschaftliche Weltraumflüge in Aussicht stellte, wurde mal vor vielen Jahren propagiert: Der Delta Klipper. Soweit ich mich entsinnen kann, gab es damals sogar einen kurzen Testflug eines subscale Modells bevor das Programm dann (aus welchen Gründen eigentlich?) eingestellt wurde.

    Es wird bestimmt interessant, über die nächsten Jahre hinweg zu verfolgen, welche Systeme entwickelt werden und wer sich etabliert.

  7. Delta Clipper

    Ich konnte das Vorhaben damals aus nächster Nähe beobachten, denn die DASA (eine Vorläuferorganisationen der heutigen EADS-Raumfahrtsparte Astrium) baute damals die Landebeine dieses Vehikels. Ich arbeitete an diesem Programm mit. Der Delta-Clipper flog insgesamt 12 mal.

    Von Raumflügen war das Vehikel allerdings noch weit entfernt. Es unternahm Start- und Landeversuche und die Einsätze führten lediglich bis in etwa 2.500 Metern Höhe. Bei seinem letzten Flug konnte eines der vier Landebeine nicht ausgefahren werden (was auf den Handlingsfehler eines Technikers zurückzuführen war). Das Fahrzeug kippte beim Aufsetzen um und brannte aus. Danach wurde das Programm eingestellt, obwohl es bis dahin durchaus vielversprechend verlaufen war.

    Leiter des Tesprogramms bei McDonnell Douglas war damals der Ex-Astronaut Charles Peter Conrad, dritter Mensch auf dem Mond. Ein großer Teil der Delta Clipper-Leute arbeiten heute bei Blue Origin und – wir hatten das Thema schon ein paarmal – keiner weiß genau, was sie da machen.

  8. Das Ende des Delta Clipper

    Das Konzept des Delta Clipper umfasste ja nicht nur die weiche senkrechte Landung. Das allein wäre ein wirklicher Schritt voran gewesen.

    Das Konzept umfasste allerdings auch den heiligen Gral der Raumfahrt, nämlich “Single Stage to Orbit”. Es ist reichlich unwahrscheinlich, dass dieses Ziel realistisch war. Es ist auch heute noch unrealistisch. Deswegen war es nicht weiter verwunderlich, dass die NASA, nachdem ihr die Verantwortung für diese Chimäre aufgedrückt worden war, im Grunde genommen nur nach einem Grund suchte, das ganze Projekt zu killen. Die Panne mit dem abgeknickten Landebein gab der NASA nur den willkommenen Vorwand. Der wirkliche Grund lag aber wohl viel tiefer.

    Die Chancen auf Realisierung des Delta-Clipper-Konzepts als einstufiges, komplett wiederverwertbares Startsystem waren gleich Null. Gleichzeitig hatte das Projekt, an das diverse Leute in wichtigen Positionen glaubten, allerdings einiges Schadenspotenzial.

    Man muss sich ins Gedächtnis rufen, dass die NASA damals, Mitte der 90er, kräftig in die Ecke gedrängt war. Die beiden großen Projekte, mit denen sie auf Gedeih und Verderb verbunden war, nämlich das Space Shuttle und die Raumstation, standen auf der Kippe.

    Irgendwann kam jemand auf die brilliante Idee, beide voneinander abhängig zu machen. Die Raumstation wurde so ausgelegt, dass sie nur vom Shuttle, also bemannt, aufgebaut werden konnte. Damit hätte nun wiederum das Shuttle ein Ziel, nämlich die Raumstation. Das ist so wie die Geschichte von dem Schild, das vor dem Haufen Steine warnt, der
    wiederum nur dazu da ist, um das Schild zu stützen.

    Wie auch immer, diese Sache war durch, damit bekam die NASA wieder Wind in die Segel. Das letzte, was man da gebrauchen konnte, wäre ein angeblich revolutionäres bemanntes Projekt, mit dem man auf einen Schlag das Shuttle obsolet gemacht hätte, wenn es funktioniert hätte.

    Wahrscheinlich hätte die NASA die DC-X auch dann noch gekillt, wenn das Projekt irgendeine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Selbst dafür hätte ich auch noch Verständnis haben können. Man kann milliardenschwere Programme (in der Raumfahrt oder anderswo) nicht führen, indem man immer wieder alles über den Haufen wirft und ganz anders neu anfängt.

    Was Single Stage to Orbit angeht, daran glaube ich auch mit heutiger Technologie nicht. Obwohl mir die Weisheit Yogi Berras bewkannt ist, dass Prognosen immer schwierig sind, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, wage ich jetzt mal eine:

    SSTO wird kommen, wenn genau ein technologischer Durchbruch gemacht sein wird. Dieser ist materialtechnischer Natur: Kohlenstoffnanoröhren (CNT= Carbon Nano Tubes) in industriell nutzbarer Länge. Ein Werkstoff, viel zugfester und leichter als alles, was wir heute haben.

    CNT brint man immer mit Dingen wie dem Weltraumfahrstuhl in Verbindung. Dabei werden auch Raketen gewaltig davon profitieren. Man kann damit federleichte Hochdrucktanks herstellen, deren Druckfestigkeit gegeben ist, indem man sie mit mehreren Lagern aus CNT-Gewebe umwickelt. Mit solchen Tanks wird man keine Turbopumpen mehr brauchen, um große Raketentriebwerke mit Brennstoff und Oxidator zu versorgen. Damit steigt einerseits dramatisch die Zuverlässigkeit, andererseits sinkt das Systemgewicht. Und plötzlich sind die Karten ganz neu gemischt.

    CNT werden kommen, das ist sicher. Diese Werkstoffe sind so nützlich in allen Bereichen der Technik, dass vielfach an der technischen Nutzbarmachung geforscht ist. Wahrscheinlich ist es nur noch eine Frage von wenigen Jahren, maximal einigen Jahrzehnten.

    @Gerhard: Wenn ein senkrecht startendes und weich senkrecht landendes, voll wiederverwendbares einstufiges Startsystem erst einmal verfügbar ist, dann sehe ich keinerlei Vorteil mehr in horizontal startenden und landenden Systemen. Die brauchen nämlich hybride Triebwerke (luftatmend durch einen weiten Machzahlbereich hindurch) und ein entsprechendes Tragwerk, das für Flüge vom Unterschall- bis hin zum Hyperschallbereich ausgelegt sein muss. Was für ein Aufwand! Und damit auch Komplexität, Kosten, Risiko …

    Am Ende wird sich – Eugen hat das Stichwort genannt – die eleganteste Lösung durchsetzen. Das zumindest halte ich für eine ziemlich sichere Prognose.

  9. @ Khan

    Man kann damit federleichte Hochdrucktanks herstellen, deren Druckfestigkeit gegeben ist, indem man sie mit mehreren Lagern aus CNT-Gewebe umwickelt. Mit solchen Tanks wird man keine Turbopumpen mehr brauchen, um große Raketentriebwerke mit Brennstoff und Oxidator zu versorgen.

    Von welchen Drücken sprechen wir hier? Brennstoff und Oxidator müßten doch in flüssiger Form in den Tanks sein, oder?

  10. Tankdruck

    Einfach wird das nicht, selbst dann nicht, wenn Nanotubes eines Tages tatsächlich in industriell verwertbarer Form zur Verfügung stehen (wovon wir aber noch weit entfernt sind). Die Entwicklungen von Tanksystemen dauern heute schon manchmal länger als die von Triebwerken. Die Komplexität von Raumfahrttanksysteme wird häufig unterschätzt, nach dem Motto: Sind doch bloß Behälter. Und es betrifft nicht nur die Tanks alleine, sondern auch das ganze Leitungs- und Ventilsystem, das da mit reinspielt.

    Heutige Tanks von Raketengrundstufen sind groß wie Häuser, aber haben nur einen Betriebsdruck von etwa 2-4 bar, nicht mehr. Erst die Turbomaschinerie bringt das ganze dann auf die gewünschten hohen Werte. Direkt am Triebwerk und nicht in den Tanks, die sonst viel zu schwer wären.

    Michael meint hier, diesen Arbeitsdruck (vernünftigerweise 150 bar oder mehr) gleich in den Tanks vorzuhalten, womöglich sogar ohne den Umweg über Druckspeicher (wobei manche Triebwerke die Arbeit im Blow-Down Modus gar nicht lieben).

    (Einfachere) Oberstufen mit Druckgasförderung haben einen Tankdruck von nicht viel mehr als 20 bar, sonst werden die zu schwer. Ab etwa 15 Tonnen Treibstoffmasse sind druckgeförderte Systeme nicht mehr sinnvoll. Damit der Druck stabil bleibt, wird in der Regel aus speziellen Drucktanks (die Drücke bis über 300 bar haben) nachgefördert.

    Der andere Modus ist, einen mit abnehmender Treibstoffmenge gleichzeitig sinkenden Druck in Kauf zu nehmen, was aber zu Lasten der Triebwerksleistung geht. Komplexe Oberstufen haben wiederum leichte, nur niedrig bedrückte Tanks, weil es hier wieder Pumpensysteme gibt, die einen hohen Arbeitsdruck für das Triebwerk zur Verfügung stellen.

    Alles in allem: Ein Ultra-Leichtgewichtstank mit hunderten von Kubikmetern Fassungsvermögen und mehr als 100 bar Arbeitsdruck, das wäre ein Thema für einen X-Price Wettbewerb.

    Da sehe ich für „Single-Stage to Orbit“ noch eher ein komplexeres System – mit Tragflächen übrigens – realisierbar: Skylon. http://en.wikipedia.org/…Reaction_Engines_Skylon Das Projekt, vor ein paar Jahren noch überall rundheraus als „unmöglich“ eingestuft, wird in der Zwischenzeit, nach einigen Durchbrüchen in der Triebwerkstechnik, aber durchaus ernsthaft untersucht, und wird – vermute ich mal – bald auch außerhalb der britischen Landesgrenzen Fördergelder bekommen.

  11. @Martin

    Eugen hat schon umfassend und zutreffend geantwortet, nur eine kleine Anmerkung meinerseits:

    Das kontrollierte Vorhalten von Druck aus einem Druckgasbehälter, üblicherweise befüllt mit einem Inertgas, ist eine übliche Technik, allerdings jetzt noch bei Oberstufentriebwerken, wo es weniger auf den Schub ankommt, und natürlich auch bei Satelliten und Raumsonden.

    Der Druck im Tank muss logischerweise deutlich höher als der in der Brennkammer sein, sonst könnten die (flüssigen) Brennstoffe nicht vom Tank zum Triebwerk fließen. Da, und bei den erforderlichen Massenströmen, liegt die Crux für Unterstufen. So etwas geht mit existierender Technik einfach nur mit einem kleinen Triebwerk. Selbst da ist es oft schon so, dass der Druckgasbehälter zu einer der massivsten Komponenten an Bord wid und oft, zusammen mit einigen hochwarmfesten Triebwerkskomponenten, sogar den Wiedereintritt übersteht.

    Selbstverständlich ist für den einstufigen Start ins Orbit ganz neue Technik erforderlich. Das Problem ist nicht damit gelöst, dass CNT in technisch anwendbarer Form verfügbar werden. Es ist dann erst einmal nur lösbar.

    Erheblicher Forschungs- und Entwicklungsaufwand ist dann noch erforderlich. Auf jeden Fall, wenn es nicht nur ‘rauf, sondern auch wieder in einem Stück ‘runter gehen soll. Denn dann muss der Hitzeschild, der Fallschirm und der Treibstoff für das Abbremsen kurz vor der Landung auch noch mit hochgeschleppt werden – dies addiert sich zur Systemmasse.

    Ich habe schon viele Pläne für futuristische Flugzeuge gesehen, die dasselbe können sollen, nur mit horizontalem Start und horizontaler Landung. Hotol, NASP, und jetzt offenbar Skylon. Dazu noch die Konzepte, bei denen das Problem zweistufig angegangen wurde, wie Sänger 2 oder einige Ausgangsideen zum Space Shuttle. Neuerdings versucht man auch noch luftatmende Triebwerke hineinzupacken, als ob das Ganze nicht schon komplex genug sei. Es würde mich wundern, wenn diesmal etwas Anderes herauskommt als bisher.

    Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Einstufigkeit nicht unbedingt ein Systemvorteil sein muss und deswegen nicht um jeden Preis anvisiert werden sollte. Ein Konzept ähnlich dem delta Clipper, aber zweistufig, wobei jede der Stufen senkrecht, kontrolliert und weich landen kann, könnte durchaus schon mit konventioneller Technik realisierbar sein. Ein einstufiges dagegen sicher nicht.

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