Quo vadis, Uni Hamburg?

BLOG: Astronomers do it at Night

…und auch tagsüber
Astronomers do it at Night

Jedermann konnte die Angelegenheit in den letzten Tagen und Wochen live mitverfolgen, Nachrichtenmagazine und bundesweit erscheinende Tageszeitungen berichteten regelmäßig davon. Jetzt hat das Drama seinen Höhepunkt erreicht: Monika Auweter-Kurtz, bis heute noch Präsidentin der Universität Hamburg, ist gegangen worden.

Die Hamburger Sternwarte in Bergedorf ist ein beschauliches Fleckchen Erde, hier geht man seelenruhig astrophysikalischer Forschung nach, weitab vom Trubel der Großstadt und dem Rest der Universität, zu der das Institut gehört. Wenn man nicht gerade Professor oder Dozent ist und damit Lehrveranstaltungen am Fachbereich Physik in der Innenstadt zu absolvieren hat, dann kommt man eigentlich mit dem Universitätsbetrieb kaum noch in Berührung. Ich selber wohne außerdem hier vor Ort und nicht in den Studentenvierteln in der Stadt, Kontakt zur derzeitigen Studentengeneration, der über unsere Diplomanden am Institut hinausgeht, habe ich eigentlich kaum noch.

Als ich selber noch Student war, habe ich mich eigentlich nie universitätspolitisch engagiert und war auch nicht an Streiks oder sonstigen Protestaktionen beteiligt. Damals gab jede Menge Anlässe, zu denen nicht nur friedlich demonstriert wurde, bei der einen oder anderen Gelegenheit eskalierte die Situation auch, besonders wenn Hundertschaften von Polizisten mit Wasserwerfern weit in der Überzahl gegenüber den Studenten waren, unter die sich streitlustige Autonome gemischt hatten. Wegen des Bachelor/Master-Systems gingen die Studenten auf die Barrikaden, und natürlich besonders als es um die Einführung der Studiengebühren ging. Hier waren die Hamburger Studenten mit ihren Protesten nicht allein, deutschlandweit gab es ähnliche Aktionen. Aber auch Hamburg-spezifische Uni-Angelegenheiten erregten die Gemüter, und vor gut drei Jahren drehte es sich dabei besonders um die Person der neuen Uni-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz.

Schon ihr Vorgänger Jürgen Lüthje war bei den Hamburger Studenten herzlich unbeliebt und wegen seiner unternehmerischen Denkweise als gewinnorientiert verschrien, verhaßter war eigentlich nur der damalige Wissenschaftsenator Jörg Dräger. Noch vor der Verabschiedung Lüthjes in den Ruhestand konnte sich die Abneigung der Studenten einem neuen Opfer zuwenden, denn ein Anhaltspunkt war schnell gefunden: Seine Nachfolgerin Monika Auweter-Kurtz war vorher in der Entwicklung von Antriebstechniken in der Raumfahrt tätig. Besonders für die politisch links orientierten Studenten ein klarer Fall, Rüstungsindustrie! Den von den Studenten geprägten Spitznamen "Raketen-Moni" hat die Presse damals wie es scheint nur zu gerne aufgegriffen und weiterverbreitet.

Einen Nachfolger für Lüthje zu finden war keine einfache Angelegenheit. Die finanzielle Situation der Universität war desolat und die Vorgaben des Bologna-Prozesses wollten endlich umgesetzt werden, die Tätigkeit des Uni-Präsidenten als Vermittler zwischen Politik und Forschung und Lehre wurde damit alles andere als eine leichte Aufgabe. Dementsprechend schwer tat sich der Hochschulrat, das Gremium aus Universität, Politik und Wirtschaft, das den Uni-Präsidenten wählt, bei der Suche nach einem geeigneten Kandidaten, bis die Physikerin Auweter-Kurtz berufen werden und im November 2006 mit ihrer Arbeit beginnen konnte. Am 1. Februar 2007 konnte ich als Mitarbeiterin der Universität an ihrer offiziellen Amtseinführung teilnehmen.

Sofort war sie mir sympathisch: eine echte Naturwissenschaftlerin mit klarer Linie und dem Willen etwas in der eingerosteten Struktur der Universität zu bewegen. Entsprechend schwer beschäftigt war sie zu Beginn ihrer Amtszeit, jede Menge Probleme wollten angepackt werden. Am 25. August 2007 war sie zu Gast beim Tag der offenen Tür bei uns an der Sternwarte. Sie war restlos begeistert vom Engagement der Mitarbeiter und dem Interesse der Besucher, damit hatte das Institut eine wichtige Fürsprecherin und Freundin gewonnen. Gerade dies hatte man von ihrem Vorgänger nicht behaupten können, dem es am liebsten gewesen wäre, wenn die Universität dieses lästige Anhängsel, die denkmalgeschützte und damit in der Instandhaltung teure Sternwarte zu einem möglichst hohen Preis hätte verkaufen können. Das kleine Institut wäre mit einer solchen Aktion in der Masse der Teilchenphysiker am DESY oder der Festkörperphysiker auf dem Uni-Campus untergegangen. Derartige Überlegungen waren plötzlich vom Tisch, viele bürokratischen Hürden mit denen wir zuvor zu kämpfen hatten, wurden plötzlich deutlich kleiner. Im Oktober letzten Jahres konnten wir mit der Uni-Präsidentin feierlich das 175jährige Jubiläum der Sternwarte begehen. Weit älter als die Universität zu der sie heute gehört, war sie zu einem Flaggschiff aufgestiegen was die Tradition der Universität und ihrer Vorläuferinstitute anging. Das Institut würde solange auf dem Sternwartengelände verbleiben dürfen wie die Mitarbeiter das wünschen, versprach Auweter-Kurtz damals.

Doch während sich für unser Institut vieles zum Guten wendete, begann an anderen Teilen der Universität die Unzufriedenheit zu wachsen. Besonders in den Geisteswissenschaften, denen man wie von der Politik gefordert einen strikten Sparkurs auferlegt hatte um die übergroßen Fachbereiche endlich gesundzuschrumpfen, regte sich der Unmut. Die Präsidentin zeige diktatorische Anwandlungen, hieß es wann immer sich die Gremien der hochgelobten aber de facto schon immer machtlosen und zudem hochbürokratischen akademischen Selbstverwaltung übergangen fühlten. Auweter-Kurtz hielt mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg, kein Drumherumgerede wie in der Politik üblich, aber dadurch eben auch zu wenig diplomatisches Feingefühl. Einige ihrer Vorstöße waren auch für mich nur schwer nachzuvollziehen, so ihr Plädoyer für einen teuren Neubau fast der kompletten Universität in Hamburgs neuem Vorzeigeviertel, der künstlich aus dem Boden gestampften Hafencity.

Wie dem auch sei, nichts von alldem hielt man bei uns am Institut eigentlich für einen ernsthaften Grund für die Politik, um am Stuhl der Präsidentin zu sägen. Umso verwunderter waren wir, wie sich in den letzten Wochen die Ereignisse überschlugen und wie aus der Angelegenheit eine öffentliche Hetzkampagne wurde. Sogar die Institutsleitung durfte es zuerst aus der Tageszeitung erfahren, daß Mißtrauensanträge von den Gremien gegen Auweter-Kurtz gestellt worden waren und daß die Dekane der Fakultäten ebenfalls gegen sie votiert hatten (ausgenommen natürlich die Naturwissenschaften…). Ab einem gewissen Punkt war klar, die Präsidentin hatte auch den Rückhalt der Politik verloren, so daß absehbar war, daß sie entweder zurücktreten muß oder aber vorzeitig entlassen wird. Im letzten Moment gelobte sie Besserung, doch inzwischen half auch das im letzten Moment verfaßte Entschuldigungsschreiben nicht mehr.

Der konkrete Anlaß für die finale Revolte gegen Auweter-Kurtz war ihre Weigerung, den neu gewählten Dekan der geisteswissenschaftlichen Fakultät im Amt zu bestätigen – ein Recht daß sie laut den Statuten der Universität hat. Die vorangegangene Wahl ist in diesem Sinne eindeutig als Provokation zu sehen, da sie von vornherein klargestellt hatte, daß sie den favorisierten Kandidaten ablehnen würde. Gescheitert ist sie aber hauptsächlich an den Fehlern anderer, für die sie aber schließlich und endlich geradestehen mußte. Der Versuch einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung ist gescheitert, das Ringen um den Struktur- und Entwicklungsplan für die Universität noch immer nicht beendet, und so weiter.

Was mir bei der ganzen Sache am meisten aufgestoßen ist, ist die doch ziemlich tendenziöse Berichterstattung der Presse, als noch garnichts entschieden war. Meinungsmache par excellence. Aber so ist es in der Welt der Politik nunmal, und Politik ist es nunmal, über die wir hier reden. Jemand wird engagiert um aufzuräumen, aber wenn derjenige es dann tatsächlich auch tut, dann ist es auch wieder nicht recht. Leider ist eine geradlinige Persönlichkeit wie die von Monika Auweter-Kurtz wohl nicht für eine derart exponierte Position wie die der Uni-Präsidentin geeignet, solange political correctness darüber entscheidet ob jemand bei einer solchen Aufgabe erfolgreich ist.

Nachdem die Würfel nun endgültig gefallen sind, fragt man sich als Mitarbeiter der Hamburger Sternwarte, was denn nun zum Beispiel aus obigem Versprechen der ehemaligen Präsidentin wird. Worauf müssen sich Studenten und Mitarbeiter der Universität an den verschiedenen Fakultäten generell einstellen? Zunächst einmal wird es mit Sicherheit ein ganzes Weilchen dauern, bis sich jemand Neues bereiterklärt, die freigewordene Position zu übernehmen, gerade angesichts der Tatsache wie der Abgang von Monika Auweter-Kurtz öffentlich zelebriert wurde. Damit hätten wir an der Spitze der Universität eine ähnliche Situation, wie sie derzeit häufig bei der Neubesetzung von Professorenstellen gehandhabt wird: Die Stellen werden vakant gehalten, oft über Jahre hinweg. Die Absicht dahinter wiederum ist allerdings einfach nur Geld einzusparen oder aber die Stelle schließlich und endlich doch sang- und klanglos zu streichen. Aber wie wird es nun mit der führerlosen Uni weitergehen? Die Zügel übernommen haben zunächst die Kanzlerin und die Vizepräsidenten. Den Stellvertretern wird nachgesagt, doch eher vom Kaliber Jürgen Lüthjes zu sein, mit rein ökonomischer Denkweise. Und selbst wenn zügig ein Nachfolger nominiert werden kann, gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation scheint es nicht unangebracht zu sein, pessimistisch zu sein. Leider.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

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