Nobelpreis für Physik 2008

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Drei Japaner – ein Preis. Soeben wurde bekannt gegeben, dass der diesjährige Nobelpreis für Physik an drei japanische, theoretische Teilchenphysiker geht. Sie heißen:

  • Yoichiro Nambu
  • Makoto Kobayashi
  • Toshihide Maskawa

Nur, was haben die drei Herren eigentlich entdeckt? Es geht jedenfalls um Teilchen, Symmetrien und Kräfte und um die Vorhersage neuer Teilchen. Die drei Nobelpreisträger für Physik waren maßgeblich daran beteiligt, die Teilchenphysik in ihrer modernen Formulierung zu erschaffen.

Die Kurzversion
Prof. Nambu (Fermi Institute, USA) formulierte in den 1960er Jahren mathematisch den Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung in der Teilchenphysik. Prof. Kobayashi (KEK, Japan) und Prof. Maskawa (YITP, Japan) sind ebenfalls Theoretiker, die 1972 eine Teilchenphysik mit drei Familien (Flavors) bzw. sechs Quarks vorschlugen – eine mutige Idee, weil seinerzeit nur drei Quarks bekannt waren! Mittlerweile wurden alle sechs Quarks experimentell nachgewiesen. Die Kobayashi-Maskawa-Theorie ist fundamental für das Verständnis der schwachen Wechselwirkung, die u.a. eine Rolle beim Verständnis bestimmter Formen von Radioaktivität spielt.

Die lange Version

1) Nambus Leistung
Der Teilchenphysiker Nambu hatte sich in den 1950/60er Jahren physikalische Konzepte aus der Theorie der Supraleitung (BCS-Theorie nach J. Bardeen, Leon Cooper und Robert Schrieffer) "abgeschaut", von der Festkörperphysik in die Teilchenphysik übertragen und weiterentwickelt. In der Supraleitung binden sich Elektronen aufgrund der Wechselwirkung mit Gitterschwingungen (Phononen) zu Paaren, den sog. Cooper-Paaren. Diese Paare sind nun nicht mehr Fermionen wie die Elektronen, sondern Bosonen, die nicht mehr dem Pauli-Prinzip unterliegen und Bose-Einstein-Kondensate bilden können. Im Gegensatz zu den Elektronen werden die Cooper-Paare nicht mehr an den Gitterionen gestreut, was makroskopisch als widerstandsfreier Stromfluss in Erscheinung tritt. Nambu übertrug dieses Paar-Konzept auf die starke Wechselwirkung in der Teilchenphysik, indem nun zwei Quarks  Paare bilden: die Mesonen. Das Pion ist ein solches Meson.

Symmetrien und Erhaltungsgrößen
In der Physik spielen Symmetrien eine wichtige Rolle, weil sie mit physikalischen Messgrößen in Zusammenhang stehen, die konstant sind. Das besagt gerade das Noether-Theorem.  So bewirkt die Achsensymmetrie z.B. die Erhaltung des Drehimpulses. Dieser Erhaltungssatz gilt im achsensymmetrischen Sonnensystem für die Planeten. Physiker sagen dann, dass ein achsensymmetrisches System sich nicht unter Drehungen ändere; es sei invariant unter Rotationen. In der mathematischen Physik beschreibt man die Symmetrien und Erhaltungsgrößen mittels der Gruppentheorie und identifiziert bestimmte Gruppen, wie die Galilei- oder Lorentz-Gruppe in der Mechanik oder die Eichgruppen in den Quantenfeldtheorien.

Was ist symmetrisch bei Nambus Modell?
Bei Nambu haben wir es mit einer komplizierteren Symmetrie zu tun, mit der chiralen Symmetrie. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Symmetrie zwischen einer linksgewundenen und einer rechtsgewundenen Wendeltreppe. Sie unterscheiden sich im Drehsinn, oder wie Physiker sagen, in der Händigkeit oder Chiralität. In der Teilchenphysik gibt es linkshändige ("linksdrehende") und rechtshändige ("rechtsdrehende") Teilchen, also zwei Sorten von Chiralität. Liegt nun chirale Symmetrie vor, so ändert sich die Chiralität des Teilchens nicht, d.h. sie bleibt konstant. Die chirale Symmetrie gibt es allerdings nur bei recht hohen Temperaturen (150 MeV oder 2 Billionen Kelvin). In unserem lokalen, kalten Universum auf der Erde ist diese Symmetrie gebrochen. Das signalisiert uns gerade das oben erwähnte Pion, weil es eine Masse hat. Liegt chirale Symmetrie vor, so ist das Pion masselos.

Wegbereiter des Standardmodells
Nambu und sein Kollege Han schlugen 1965 eine spezielle Gruppenstruktur, um die starke Wechselwirkung zu beschreiben, eine sog. nicht-abelsche Eichgruppe. Hier kamen die Quarks, neue Elementarteilchen, die M. Gell-Mann 1964 erfunden hatte, zum Einsatz, nur dass sie bei Nambu und Han ganzzahlige Elementarladungen hatten (mittlerweile weiß man, dass sie drittelzahlige elektrische Ladungen haben).  Die Grundidee für die Gruppenstruktur war allerdings korrekt und ebnete den Weg zum nun etablierten und experimentell vielfach bestätigten Standardmodell der Teilchenphysik mit einer Eichgruppenstruktur SU(3) x SU(2) x U(1).

2) Maskawas und Kobayashis Leistung
Hadronen können durch die Wirkung der schwachen Kraft zerfallen. Ein einfaches Beispiel dafür ist der Beta-Zerfall, eine bestimmte Form von Radioaktivität, bei der sich ein Quark in einem Proton oder Neutron im Atomkern umwandelt und dabei ein Positron bzw. ein Elektron aus dem Atomkern schießt.

[Bild: Feynman-Diagramm des Beta-Zerfalls]

Diese Elektronen bzw. Positronen heißen dann Betateilchen. 1963 gelang dem italienischen Physiker Nicola Cabibbo ein erster Durchbruch, indem er die schwache und starke Wechselwirkung beschrieb – allerdings mit zwei Quark-Familien.

Noch eine Symmetrie: CP-Symmetrie
Teilchenphysiker sind interessiert daran, ob sich Teilchen anders verhalten, wenn man sie durch ihre Antiteilchen ersetzt. Der Vorgang wird mathematisch als Transformation die mit dem Operator C vorgenommen (C von engl. charge) und wird auch Ladungskonjugation genannt.
Der Paritätsoperator P bewirkt eine Punktspiegelung und "dreht alle Raumkoordinaten im Vorzeichen". (Zum Vergleich: Ein ebener Spiegel dreht nur ein Vorzeichen der drei Raumkoordinaten um).
Bis 1964 waren nur Vorgänge in der Natur bekannt, die CP-symmetrisch sind, d.h. die Verhältnisse änderten sich in der Teilchenphysik nicht, wenn man ein Teilchen durch sein Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig eine Punktspiegelung durchführt.

Entdeckung der CP-Verletzung
1964 änderte sich dies zum großen Erstaunen der Physiker: J. Cronin, V. Fitch und andere entdeckten den Zerfall des neutralen Kaons K0 in ein positiv und ein negativ geladenes Pion. Dieser Zerfall verletzt die CP-Symmetrie! Ein völlig neuer Effekt wurde in der Natur entdeckt: die sog. CP-Verletzung. Die Konsequenz war auch, dass Cabibbos Ansatz zur Erklärung der CP-Verletzung scheiterte und durch eine neue Theorie ersetzt werden musste.
Genau diesem Problem nahmen sich 1972 Maskawa und Kobayashi an. Sie erweiterten das Cabibbo-Modell auf drei Quark-Familien, was ein mutiger Schritt war, weil seinerzeit diese Quarks hypothetisch waren. Mit drei Generationen resultierte ein neues Gebilde in der mathematischen Physik, die Cabibbo-Kobayashi–Maskawa-Matrix (CKM-Matrix). Diese 3×3-Matrix wird auch Quark-Mischungsmatrix genannt, weil sie gerade die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Quark in ein anderes Quark beschreibt – also z.B. den oben genannten Betazerfall. Bis heute hält die CKM-Matrix den experimentellen Tests stand.
(Ist es fair, dass das Preiskomitee Prof. Cabibbo nicht berücksichtigt hat, der die CKM-Matrix entscheidend begründete?)

Bedeutung für den Kosmos – und für Sie
Die CP-Verletzung ist auch der Grund dafür, dass in einer frühen Phase der kosmischen Entwicklung geringfügig mehr Materie als Antimaterie entstand (A. Sakharov 1967). CP-verletzende Prozesse stellen ein Ungleichgewicht her, das bei einer CP-Symmetrie niemals aufgetreten wäre. Mit anderen Worten: Wir, die chemischen Elemente, die Sterne und die Galaxien verdanken der CP-Verletzung unsere Existenz – Grund genug sie weiter zu erforschen! Denn es deutet sich an, dass CP-Verletzung allein dieses Missverhältnis nicht zu erklären vermag. Die Physiker müssen über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgehen. Wohin das sein soll, darauf wird hoffentlich der neue Teilchenbeschleuniger LHC am CERN einen Fingerzeig geben.

Quellen und weitere Literatur

 

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

5 Kommentare

  1. Physik, Astronomie und der Nobelpreis

    Ein, wie ich meine, interessante Randnotiz zum Thema “Nobelpreis fuer Physik” ist, dass Edwin Hubble, einer der nach meinem Dafuerhalten groessten und verdienstvollsten Astronomen aller Zeiten, nicht durch einen Nobelpreis geehrt wurde.

    Dies lag daran, dass das Nobelpreiskomittee die Astronomie nicht als Bereich der Physik sah. Einen Nobelpreis fuer Astronomie gab und gibt es nicht, deswegen kamen Astronomen nicht als Preistraeger in Frage.

    Diese merkwuerdige Sichtweise wurde korrigiert und Hubble waere der Nobelpreis fuer Physik im Jahre 1953 verliehen worden … nur verstarb er kurz vor der Bekanntgabe der Preistraeger, und posthum wird der Preis laut Regelwerk nicht verliehen, sodass dieser Titan der Astronomie leer ausging.

    Nobelpreistraeger fuer Physik im Jahre 1953 war stattdessen der Niederlaender Frederik Zernike. (Who?)

    Nun ja, in der Folge sind auch Wissenschaftler geehrt worden, deren Beitrag im Bereich des Astronomie, Astrophysik und Kosmologie war, beispielsweise John Mather und George Smoot (2006), S. Chandrasekhar und W. Fowler (1983), Arno Penzias und Robert Wilson (1978) und einige andere mehr.

  2. @M. Khan: Hubble

    Lieber Michael,

    der Auffassung “Hubble als Titan der Astronomie” kann man auch ein paar Kritikpunkte entgegenstellen (vgl. SuW 8/2007, S.38).

    1) Wenn man den Namen Hubble in diesem Zusammenhang erwähnt, muss man im gleichen Atemzug den Belgier George Abbe Lemaitre und den Amerikaner Vesto Slipher nennen. Typischerweise werden beide in der Berichterstattung meistens vergessen. Lemaitre hat den linearen Zusammenhang zwischen Fluchtgeschwindigkeit der Galaxien und ihrer Entfernung mithilfe von Sliphers Daten erstmals dokumentiert. Sie sind die Pioniere. Hubble und Humason haben diese Prozedur nur mit besseren Daten wiederholt.

    2) Aus heutiger (survey-verwöhnter) Sicht war Hubbles Galaxiensample extrem klein (Größenordnung 10 Galaxien). Damit wiederholten er und Humason die Lemaitre-Sliper-Studie in den 1920er Jahren, eigentlich mit miserabler Statistik. Es ist wohl mehr seiner Intuition zu verdanken, dass seine Interpretation damals richtig war.

    3) Lemaitre war es auch, der die beobachtete Expansion des Universums erstmals rückwarts in der Zeit extrapolierte (nature paper 1931) und so den kleinen, heißen Ursprung des Kosmos entdeckte. Er sprach seinerzeit von der “Geburt des Raums” und ist damit der Urheber der Urknallidee. (Der Begriff “Big Bang”, im Deutschen Urknall, wurde von Fred Hoyle 1949 als Schimpfwort erfunden. Hoyle war Gegner der Urknall-Hypothese.)

    Was ist also mit den anderen Kollegen nebst Hubble wie mit Slipher und mit den ganzen Europäern und Russen: Lemaitre, Friedmann etc. Ich sehe ihre wissenschaftliche Leistung auf dem gleichen Niveau wie Hubbles.

    Es ist jedenfalls mit Sicherheit keine leichte Aufgabe im Nobelpreiskomitee zu entscheiden.

    Gruß,
    Andreas

  3. @Andreas: Auf den Schultern von Giganten

    Hallo Andreas,

    Also gut, ich ziehe jede uebertriebene Formulierung zurueck. Dennoch denke ich, dass man schon sagen kann, dass Hubble eine herausragende Leistung erbracht hat. Nicht nur in Bezug auf die Rotverschiebung und ihre Konsequenzen, sondern auch – etwas frueher – in Bezug auf die “grosse Debatte”, be der es darum ging, ob das Universum auf unsere Galaxie beschraenkt ist oder darueber hinausgeht.

    Natuerlich kann man auch hier – zu Recht – einwenden, dass sich Hubble auf Erkenntnisse stuetzte, die andere vor ihm geliefert hatten, beispielsweise Henrietta Leavitt und ihre Theorien zum Zusammenhang zwischen Leuchtkraft und Periode von Cepheiden.

    Keineswegs will ich die Leistung von George Lemaitre schmaelern, gerade in Bezug auf die heute weithin akzeptierten Grundannahmen der Kosmologie. Dass Hubble nach meinem bescheidenen Dafuerhalten aufgrund seiner diversen Beitraege nobelpreisverdaechtig gewesen waere (uebrigens nicht nur meine Meinung, denn wenn er nicht gestorben waere, haette er ihn erhalten) bedeutet ja nicht, dass andere nicht ebenso verdienstvoll waren.

    Aber das habe ich ja eh nicht zu beurteilen, meine Meinung ist nicht weiter massgeblich.

    Es ist in jeder Disziplin so, dass jeder Wissenschaftler nicht nur auf den Schultern derjenigen steht, die vor ihm kamen, sondern auch die Arbeit von vielen, vielen Leuten nutzt, die meist vollkommen ungenannt bleiben.

    Das ist wohl die Kehrseite jedes Nobelpreises.

  4. Nobelpreise für Physik 2008

    Zwei Anmerkungen:

    „… Die Kobayashi-Maskawa-Theorie ist fundamental für das Verständnis der schwachen Wechselwirkung, die u.a. eine Rolle beim Verständnis bestimmter Formen von Radioaktivität spielt.“

    Und für das Zusammenspiel von starker und schwacher WW!

    Die Kobayashi-Maskawa-Theorie sagt im Wesentlichen aus, dass der Charakter bzw. die Identität eines Teilchens bzgl. der starken WW. nicht dieselbe ist wie bzgl. der schwachen WW.

    Wenn ich bzgl. der starken WW die drei Teilchen Fritz, Hans, und Hugo habe, dann sieht und hört die schwache WW so etwas wie 98% Fritz, 1.8% Hans und 0.2% Hugo – usw. (Die Zahlen sind erfunden, wer’s genau wissen will schaut bei Google unter der CKM-Matrix nach). Wenn sich nun (bzgl. mir = der starken WW) Fritz mit MIR unterhält, dann hört jemand ANDERS (= die schwache WW) 98% Fritz und 2% die anderen beiden. Wenn ICH Fritz sage, er solle ein Antiteilchen = Maria heiraten, dann sieht Maria (gemäß der starken WW) nach der Heirat in Fritz zu 100% ihren Ehemann. Wenn jemand ANDERS dem Hans sagt, er solle sich scheiden lassen, dann tut der Ehepartner von Maria das in 1.8% der Fälle – und Maria ist völlig verblüfft, weil sich Fritz von ihr hat scheiden lassen. Es war eben etwas von Hans in dem Fritz.

    „… In unserem lokalen, kalten Universum auf der Erde ist diese Symmetrie gebrochen. Das signalisiert uns gerade das oben erwähnte Pion, weil es eine Masse hat. Liegt chirale Symmetrie vor, so ist das Pion masselos.“

    Nein, ganz so ist das nicht. Die spontane Brechung der chiralen Symmetrie erzeugt ein sogenanntes Nabu-Goldstone Boson – und das ist zunächst masselos! Es ist die Brechung selbst, die zu dem masselosen Teilchen führt. Dass das Pion eben doch nicht ganz masselos ist, liegt daran, dass die zugrundeliegende Theorie (QCD) eben nicht vollständig chiral symmetrisch ist, weil bereits die Quarks eine (kleine) Masse haben.

    Zunächst mal zur Begründung, warum die spontane Symmetriebrechung masselose Teilchen erzeugt: Man stelle sich einen Mexikanerhut vor; der hat eine Rotationssymmetrie um seine senkrechte Achse. Bei niedrigen Temperaturen wird nun eine Kugel versuchen, den niedrigsten Energiezustand einzunehmen – und der ist nicht oben auf der Spitze des Hutes, sondern in der Krempe. Die Kugel liegt also nicht auf der Symmetrieachse – der Zustand ist somit nicht mehr symmetrisch – die ursprüngliche Rotationssymmetrie ist spontan gebrochen. Diese Konfiguration entspricht dem Vakuum. Ein Teilchen ist nun die Schwingung dieses Zustandes um das Vakuum. Das Teilchen kann nun in zwei Richtungen schwingen = rollen. Zum einen den Hut und die Krempe rauf und runter, zum anderen entlang der Krempe, d.h. entlang des Kreises um den Hut. Dabei existiert keine Potential, das Teilchen rollt flach dahin. Diese „Schwingung“ ohne Widerstand entspricht nun einem masselosen Teilchen.

    Im Falle der QCD ist es die chirale Symmetrie, die spontan gebrochen ist.

    Das war nur die halbe Wahrheit: die QCD hat aber nur näherungsweise eine chirale Symmetrie. Die elementaren Quarks haben nämlich bereits eine kleine Masse, was dazu führt, dass auch nur eine näherungsweise existente Symmetrie gebrochen wird und der o.g. Mechanismus nur näherungsweise gilt. Daher kommen die kleinen Massen der Quarks. Wären die Quarks exakt masselos wäre auch die Brechung der chiralen Symmetrie exakt im obigen Sinne und wir hätten masselose Pionen.

    Dass die Quarks eine kleine Masse haben liegt nun wiederum an der spontanen Brechung einer Symmetrie – aber an einer ANDEREN, nämlich der Eichsymmetrie der el.-schw. WW über den Higgs-Effekt. Dieser Mechanismus funktioniert jedoch völlig anders: es handelt sich um eine lokale Eichsymmetrie, während es im Falle der chiralen Symmetrie um eine globale Symmetrie (d.h. ohne Eichfeld) geht. Außerdem erfolgt die Brechung beim Higgs-Mechanismus über ein Zusatz-Feld (das Higgs-Feld), während die chirale Symmetriebrechung ein dynamischer Effekt der QCD ohne Hinzunahme weiterer Feldern ist. Und weil der Mechanismus so grundverschieden ist, führt er eben nicht zu masselosen sondern zu massebehafteten Teilchen.

  5. @Tom: Danke!

    Lieber Tom,

    vielen Dank für Deinen schönen Beitrag, der einen Mehrwert zum Blog post generiert.
    Gut gefallen hat mir Deine Idee, die Quark-Mischung mit Fritz et al. zu erklären. Das zeigt wieder mal, wie seltsam die Teilchen- und Quantenwelt ist – manchmal fällt einem das erst auf, wenn man es plastisch auf die Makrowelt überträgt, auf Fritz, Hinz und Kunz 😉
    Ein weiteres Beispiel für derartige, ungewöhnliche Mischungszustände in der Teilchenwelt ist das Neutrino. Hier wird die Änderung eines Neutrinos von einer Leptonenfamilie in die andere (die sog. Neutrinooszillation) ebenfalls durch “Neutrinomischungen” erklärt.

    Danke auch für Deine klare Abgrenzung zum Higgs-Mechanismus. Ich denke gerade hier muss man besonders aufpassen, weil in der Berichterstattung die Symmetrien wild durcheinander geworfen werden. So ist das Higgs-Teilchen eben kein Nambu-Goldstone-Boson, weil es ja Masse hat (etwas, was ich zu Studienzeiten ganz anders mitbekommen habe…).

    Zugestehen muss ich: Es ist ein recht kompliziertes Thema, dass man einem Laien nicht mal eben in 5 min erklären kann.

    Beste Grüße,
    Andreas

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