Spuren des Higgs-Teilchens entdeckt?

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Seit gestern tagen die CERN-Forscher in Grenoble bei der Europhysics Conference on High Energy Physics (EPS Meeting), um die aktuellen Ergebnisse am  Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) zusammenzutragen. In zwei LHC-Experimenten, ATLAS und CMS, fand man nun ungewöhnliche Ereignisse im Massenbereich von 130-150 Gigaelektronenvolt. Das ist gerade ein Bereich, in dem die Masse des Higgs-Teilchens vermutet wird. Das Higgs-Teilchen wäre dann so schwer wie bis zu 150 Protonen, den elektrisch positiv geladenen Teilchen im Atomkern.  

Was passiert genau?

Am LHC werden Protonen zu Kollision gebracht (siehe mein Übersichtsbericht zum LHC). Dabei ist eine besondere Teilchenreaktion, dass sich zwei Gluonen sehr nahe kommen könnten, die, vermittelt über virtuelle Paare aus Quarks und Antiquarks ("loops"), kurzzeitig das Higgs-Teilchen erzeugen. Schließlich zerfällt es in zwei Gammaphotonen, also hochenergetische, elektromagnetische Strahlung. Von 500 Proton-Proton-Kollisionen würde aber nur eine zu genau dieser Zerfallsreaktion führen. Deshalb muss man viele Proton-Proton-Kollisionen im LHC produzieren, um diesen Prozess überhaupt beobachten zu können.  

Nun haben zwei Großexperimente am LHC – sowohl ATLAS, als auch CMS – im gleichen Massenbereich etwas gefunden. Und genau dieser Massenbereich ist nach wie vor noch interessant, dass hier das Higgs-Boson gefunden werden könnte.  

Reaktionen von Experten und der Presse

Die Messungen sind außerordentlich kompliziert. Deshalb sind die CERN-Forscher auch so zaghaft. Während sie die Entdeckung noch zurückhaltend beurteilen, sehen Journalisten schon fast eine Entdeckung. Doch nach Einschätzung der CERN-Physiker ist es noch zu früh, um von einer Entdeckung zu sprechen. Wir müssen also den Ball noch flach halten. Aber im Herbst/Winter werden die Daten gut genug sein, um entweder die Entdeckung des Higgs-Teilchens im niedrigen Massenbereich 130-150 Gigaelektronenvolt bestätigen zu können oder es in diesem Bereich ausschließen zu können. Im letzteren Fall wäre also das Higgs-Teilchen noch schwerer – oder es existiert nicht.  

Am nächsten Montag, 25. Juli 2011, 13:30 Uhr findet eine Pressekonferenz in Grenoble statt. 

Links:

[1] nature Artikel von gestern 

[2] Bericht im Quantumdiaries-Blog 

[3] CERN-Mitteilung zum EPS Meeting   

Update 25.07.11, 14:30 Uhr:

Nach der EPS-Pressekonferenz in Grenoble: CERN-Generaldirektor Prof. Rolf-Dieter Heuer rechnet erst für Ende 2012 damit, dass wir mit mehr Sicherheit etwas über die Existenz oder Nicht-Existenz des Higgs-Teilchens wissen. Es müssen einfach noch mehr Messdaten gesammelt werden, um statistisch aussagekräftig zu sein. Wir müssen also noch Geduld haben. Aber weil diese Erkenntnisse nach und nach kommen werden, rechnet Heuer mit ersten Gerüchten schon deutlich vor Ende 2012.

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

2 Kommentare

  1. Das LHC könnte auch nichts finden.

    Im LHC sind scheinbar zu viele “Higgs-Ereignisse” gefunden worden und der tschechische Physiker Lubos Motl meint denn auch, das Ergebniss passe perfekt zu Supersymmetrietheorien.

    Allerdings sollte man aus einer solchen Meldung nicht allzu viel machen. Entscheidend ist ja die statistische Signifikanz der Messungen. Je mehr Ereignisse aufgezeichnet werden desto sicherer sind die Aussagen.

    Es wäre schön wenn das LHC neue Physik entdecken würde. Schliesslich wurde es ja dafür gebaut. Findet das LHC nichts wirklich neues wäre das ein herber Schlag für die Teilchenphysik. Dass das LHC nichts neues findet kann sogar dann passieren, wenn unsere Vorstellung von den letzten Gesetzen, die jetzt im Standardmodell zusammengefasst sind, völlig falsch sind. Denn warum soll gerade in dem Energiebereich, in dem das LHC operiert sich schon wieder etwas neue s offenbaren. Vergleicht man die Energien im LHC mit Energien wie sie in Jets von schwarzen Löchern vorkommen, sind sie geradezu lächerlich. Der Schöpfer des Universums hätte es gut mit dem Menschen gemeint, wenn jede nur mässig gesteigerte Anstrengung, schon ihre Früchte tragen würde.

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