Ist die Aschewolke wirklich weg?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die Wolke hat sich verzogen“, so wird Axel Raab, Chef der deutschen Flugsicherung (DFS) in der Nachtausgabe der Tagesschau vom Mittwoch, den 21.4.2010 zitiert. Wirklich? Dann müssten aber diverse auf umfangreichen Messungen und detaillierten Berechnungen fußende Prognosen falsch sein, beispielsweise die des Rheinischen Instituts für Umweltforschung (RIU) der Uni Köln.

Gestern meldete schon Stefan Oldenburg begründete Zweifel an und schlug vor, die Beobachtung des Mondes als Asche-Indikator heranzuziehen. Das Stichwort ist der Ring von Bishop (engl.: Bishop’s Ring), eine bei hoher Staubkonzentration in der Atmosphäre nach Vulkaneruptionen auftretende lichtschwache Halo-Erscheinung um den Mond, die auch Stefan Oldenburg beschrieb. Beispiele früherer Ringe von Bishop sind hier – die bekannten, häufigen Eis-Halos sehen ganz anders aus. 

Zurück zu den Prognosen des RIU und anderer Stellen. Sollten diese sich für heute geirrt haben, denn ihre Prognosen für den heutigen Tag zeigen deutlich noch hohe Aschekonzentrationen? Das ist wenig wahrscheinlich – in den vergangenen Tagen waren die Modellrechnungen zuverlässig.

Hier ist die Prognose des RIU der Aschekonzentration in einer Höhe von 3 km. Ich habe die Datei in meinen Webspace kopiert, da ich nicht weiß, ob darauf auf dem  Server des RIU noch Zugriff bestehen wird, wenn dort neue Prognosen für die kommenden Tage eingehen. Quelle ist das RIU der Uni Köln:

Prognose der Aschestaubkonzentration fuer den 22.4.2010, 3 km Hoehe, Quelle: RIU

Man sieht dort ein Gebiet hoher Konzentration, das Mitteleuropa den ganzen Tag lang überquert und die Bundesrepublik bedeckt, gefolgt von einem weiteren Gebiet im Anmarsch über der Nordsee. In der Prognose für den 23.4. sieht man, dass sich die Aschewolke in dieser Höhe erst am Abend des Freitags nach Osteuropa verzieht.

Und hier ist die Prognose des RIU für eine Höhe von 5 km, ebenfalls für den 22.4.2010, also heute. In der Höhe sieht man vormittags noch hohe Konzentrationen, die sich allenfalls am Nachmittag auflösen. 

Prognose der Aschestaubkonzentration fuer den 22.4.2010, 5 km Hoehe, Quelle: RIU

Fazit: In Anbetracht dieser auf Messungen und Berechnungen beruhenden Prognosen sowie der Tatsache, dass der Staub in der Hochatmosphäre sehr wohl auch mit bloßem Auge in Form von Ringen von Bishop um den Mond sichtbar war und ist, erscheint die Behauptung in der Tagesschau vom 21.4.2010, die Wolke habe sich bereits verzogen, doch etwas voreilig. Wie dem auch sei, der Luftraum wurde für den Flugverkehr freigegeben.

Ich danke Gunnar Glitscher und Dr. Andreas Kunz für Informationen, Hinweise und Links.

Weitere Information

Wissenschaftliche Hintergrundinformation zum Ausbruch am Eyjafjallajökull auf Island von der Universität für Bodenkultur, Wien

Bericht zum Messflug der Falcon des DLR am 19.4.2010

Der zweite Flug der Falcon fand heute, am 22.4.2010 statt

Rundumaufnahme des horizontnahen Himmels im Odenwald am Morgen des 22.4.2010 mit deutlichen Spuren gesteigerten atmosphärischen Feinstaubeintrags. Quelle: Dr. Andreas Kunz, Darmstadt

Dr. Andreas Kunz lieferte auch die folgenden beiden Einzelaufnahmen vom Sonnenaufgang des 22.4.2010 im Odenwald.

Sonnenaufgang am 22.4.2010 im Odenwald mit Staubkonzentration, Dr. Andreas KunzSonnaufgang am 22.4.2010 im Odenwald mit atmosphaerischem Staub, Dr. Andreas Kunz

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

7 Kommentare

  1. Flugsicherheit, wer braucht das schon..

    Naja, wenn die Wirtschaft nur laut genug mit prognostizierten Milliardenverlusten um sich wirft hat gefälligst auch ein Vulkan zu schweigen!

  2. Ich bin mir nicht sicher…

    … ob ich bei meinen Beobachtungen des nur etwa 2° kleinen, rötlich-braunen Hofs um den Mond in den beiden Nächten vom 19./20. und 20./21. April 2010 tatsächlich jene atmosphärische Beugungserscheinung sah, die S. Bishop nach dem Krakatau-Ausbruch 1883 erstmals beschrieb. Der “Ring von Bishop” (“Bishop´s Ring”) entsteht durch Beugung des Lichtes an feinem Staub in der oberen Troposphäre. In unseren Breiten führt hin und wieder Saharastaub zu einem leicht bräunlich gefärbten Ring um die Sonne, der einen helleren Ring umschließt.

    Unsicher, ob sich die Beschreibung des Bishop´s Ring mit meinen Beobachtungen deckt, bin ich aus folgenden Gründen: Erstens handelt es sich bei Bishop´s Ring um eine zumeist bei hellem Sonnenlicht beobachtbare Erscheinung. Zwar wird immer wieder mal erwähnt, auch um den Mond sei er beobachtbar, ich kenne aber keine derartigen Hinweise oder Bilder vom Bishop´s Ring um den Erdtrabanten. Ich nehme an, der Mond reflektiert schlicht zu wenig Sonnenlicht, um diesen Beugungseffekt zu generieren. Zweitens ist der Bishop´s Ring ganz anders, als ich es nun am Mond beobachtet habe: Er ist mit mehr als 20° erheblich größer als jene rötlich-braune Fläche, die ich um den Mond sah.

    In den beiden Nächten 21./22. und 22./23. April habe ich den rötlich-braunen Hof um den Mond von meinem süddeutschen Standpunkt aus übrigens nichts mehr feststellen können. Mich interessiert sehr, ob insbesondere in der Nacht vom 20./21. April auch andere den rötlich-braunen Hof um den Mond gesehen haben?!

  3. Umstrittene Berechnungen

    Ich habe mich in der Berichterstattung eh gewundert, dass die Reporter immer von “umstrittenen Berechnungen” gesprochen haben. Die Berechnungen hat ja niemand ernsthaft in Frage gestellt. Das Problem ist vielmehr nach wie vor, dass niemand weiß, wie viel Vulkanasche die Triebwerke vertragen. Das ist kein Fehler der Wissenschaftler, die die Prognosen abgeben, das ist ein Problem der Triebwerk-Hersteller, die keine Garantien geben möchten und vermutlich auch gar nicht können.

    Was nun die Flugsicherheit betrifft, so war der Ansatz der Lufthansa, einfach ein paar leere Überführungsflüge durchzuführen, genau richtig. Nur so kann man feststellen, wie gefährlich die Aschewolken tatsächlich sind. Solche Testflüge ohne Passagiere sollte die Flugsicherung vielleicht als Standardinstrument einführen. Nur wer trägt dann die Kosten, wenn tatsächlich ein paar Triebwerke zerstört werden?

    Die ganze Angelegenheit war mehr ein juristisches als ein wissenschaftliches Problem.

  4. Vulkanaschengrenzwert von 0,002 gr/m^3

    Laut Spiegel (siehe http://www.spiegel.de/…t/0,1518,690538-3,00.html) hat die britische Civil Aviation Authority als neuen Grenzwert für Vulkanstaub 0,002 Gramm/m^3 Luft festgelegt.

    Ich habe auch vom Vorschlag gelesen, einige Flugzeuge (die dann als Testflugzeuge dienen könnne) mit LIDAR auszustatten.

    Das Prozedere für den Flugverkehr bei Vulkanasche sähe dann so aus:
    -Grossräumige Fernmessung der Vulkanstaubkonzentration
    -Messflüge mit Lidar und anschliessendem Check der Flugzeugtriebwerke
    -Freigabe des Teils des Luftraums, bei dem die Vulkanaschenkonzentration unter dem Grenzwert liegt.

  5. @Martin Holzherr

    Das mit den 0.002 g/m^3 hatte ich auch gelesen, aber kann das stimmen? Das wären ja 2 milligramm=2000 Mikrogramm pro Kubikmeter, also noch eine Größenordnung mehr als die Skala der Staubkonzentrationen selbst in Nähe des Vulkans auf den Karten der Staubbelastung.

    Wie ist es denn dann schon beispielsweise zu Schäden an den triebwerken der finnischen Düsenjäger gekommen?

  6. Sonnenuntergang

    Gestern sah ich einen Sonnenuntergang, wie ich noch keinen zuvor gesehen hatte. Die Sonnenscheibe war klar zu sehen, farblich ein sattes Feuerrot, so als wäre die Sonne ein Roter Riese. Als Ursache kommen wohl nur die verbliebenen Aschepartikel in der Atmosphäre in Frage. Leider hatte ich meine Fotokamera nicht dabei. Aber vielleicht wiederholt sich das Phänomen heute noch mal.

  7. Wetter wird immer problematischer

    Die beiden letzten Winter waren mit Minus 20 Grad Celsius für diese Region zu kalt. Minus 20 Grad gab es früher eigentlich nur auf höheren Bergen, aber nicht in den Städten selbst. Die Stadtverwaltungen und Gemeinden sollten jetzt in die Zukunft planen und besser Sorge tragen.

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