Per Video zum “Blauen Schneeball”

BLOG: Himmelslichter

ein Blog über alles, was am Himmel passiert
Himmelslichter

Dass Deep-Sky- Astrofotografie schwierig ist und vor allem teuer, ist spätestens seit der digitalen Revolution ein Irrtum. Mit Videomodulen zum Beispiel kann man schon mit einem finanziellen Einsatz von 100 Euro Deep-Sky-Objekte fotografieren. Zumindest, solange man nicht auf Hochglanzresultate aus ist.

Letzte Woche konnte ich nach langer Pause endlich wieder meinem Hobby frönen: Eine Astronacht in der Aachener Sternwarte stand an. Auf dem Programm: Ein bisschen mit der digitalen Spiegelreflex herumspielen und die Videoausrüstung noch mal mit Photonen füttern. Außerdem nach langer Zeit noch mal mit dem altehrwürdigen Zeiss-Refraktor der Sternwarte beobachten.

Nachdem ich mich schon an den rabenschwarzen Himmel Südamerikas gewöhnt hatte, war die erste „richtige“ Astronacht in heimischen Gefilden auch ein Selbst-Experiment: Würde ich mich überhaupt wieder mit dem mitteleuropäischen Milchglas-Himmel anfreunden können? In Südamerika ging es um die Frage, ob die Milchstraße einen Schatten wirft – in Aachen eher darum, ob das hellgraue Band vor dem ebenfalls grauen Himmel überhaupt unsere Heimatgalaxie ist, oder doch eher eine angeleuchtete Eiswolke…

Um es kurz zu machen: Es klappte erstaunlich gut. Auch unter Stadthimmel lässt sich immer noch sinnvoll Amateurastronomie betreiben. Man muss sich halt etwas einschränken. Dass diese Einschränkung nicht nur die Mond- und Planetenbeobachtung erlaubt, zeigt dieses Bild des planetarischen Nebels NGC 7662, dem „Blue Snowball“.

NGC 7662 befindet sich im Sternbild Andromeda, ist etwa 30 Bogensekunden groß und hat eine visuelle Helligkeit von 8,3 mag. Im Teleskop erkennt man eine ringförmige Struktur und einen etwas schwächeren, äußeren Halo. Die elliptische Form ist auffällig, in größeren Teleskopen weist der Nebel eine grünliche Färbung auf. Tatsächlich ist diese Farbe eher blau (daher sein Name) aber das menschliche Auge (zumindest meines) nimmt ihn eher grün wahr.  
 

Ausschnittsvergrößerung: Der Stern rechts neben NGC 7662 hat die Helligkeit 13,8. 

Die Aufnahme entstand mit dem 20-Zentimeter-Refraktor der Sternwarte Aachen bei einer Brennweite von 7,5 Meter. Als Kamera diente ein s/w-Videomodul des Typs SK1004X. Um das Rauschen des Chips zu minimieren habe ich 80% von 5000 Einzelbildern mit der freien Software Giotto gestackt und das Summenbild mit dem ebenfalls freien Programm Fitswork bearbeitet. Obwohl die Aufnahme keine Meisterleistung darstellt, erkennt man auf ihr bereits mehr als beim Anblick im Okular: Visuell konnte man bei der höchsten in dieser Nacht möglichen Vergrößerung die Ringstruktur gerade nur erahnen.

Planetarische Nebel (PN) sind lohnenswerte Objekte, die sich auch unter Stadthimmel gut beobachten lassen. Es handelt sich um die Reste ausgebrannter Sonnen: Gashüllen, die von einem Roten Riesen am Ende seines Sternlebens ins Weltall geblasen wurden und die nun, angeregt von der Strahlung des Weißen Zwergs, der als Sternleiche im Zentrum des Nebels zurück geblieben ist, leuchten. Der Name planetarischer Nebel stammt vom Erscheinungsbild der Objekte: Viele sind nahezu kreisrund und erscheinen im schwach vergrößernden Teleskop wie eine Planetenscheibe.

Die meisten PN sind klein, kompakt und relativ hell. Das macht sie auch bei Lichtverschmutzung noch gut sichtbar. Außerdem strahlen sie ihr Licht nicht in Form eines kontinuierlichen Spektrums ab, sondern konzentriert in bestimmten Spektrallinien, die sich mit geeigneten Filtern gut vom Hintergrundlicht der Stadtbeleuchtung trennen lassen. Wichtig bei der Beobachtung planetarischer Nebel ist nicht so sehr die Transparenz des Himmels, sondern vielmehr die Atmosphärenruhe, das so genannte Seeing. Die Beobachtung von PN verlangt die gleichen atmosphärischen Bedingungen wie die Planetenbeobachtung, denn in beiden Fällen benötigt man zur Detailwahrnehmung eine hohe Vergrößerung.

Leider ist eine wirklich ruhige Atmosphäre ebenfalls sehr selten in Mitteleuropa, und Belichtungszeiten von mehreren Sekunden produzieren eigentlich immer ein stark verzerrtes Bild. Planetenfotografen benutzen deshalb viele kurz belichtete Einzelaufnahmen, die sie zu einem einzelnen Bild zusammensetzen. In den kurzen Belichtungszeiten „friert“ das Seeing praktisch aus. Für planetarische Nebel sind die hierzu oft eingesetzten Webcams aber nicht so gut einsetzbar, denn Deep-Sky-Objekte sind erheblich lichtschwächer als Planeten. Besser geeignet sind Videokameras, die über eine ausreichende Empfindlichkeit verfügen.

Neben kommerziellen Produkten, die zweifellos die besten Ergebnisse produzieren aber auch nicht ganz billig sind, lohnen sich für Einsteiger Videomodule. Diese muss man sich selbst zu einer Astrokamera ausbauen, was aber nicht schwierig ist, da die gesamte Elektronik bereits funktionsfertig ist. Lediglich das Gehäuse, die Anschlüsse für die Spannungsversorgung und das Videosignal sowie die Verbindung zum Teleskop muss man selbst bauen. Mit einem herkömmlichen Videograbber aus dem Computerhandel kann man das Videobild dann leicht auf den Rechner bringen und dort weiterverarbeiten.

Das von mir verwendete Kameramodul bekommt man schon für 65 Euro, einen USB-Videograbber für etwa 30 Euro. Die für den Kamerabau notwendigen Kleinteile aus dem Elektronikladen kosten nicht mehr als 5 Euro. Für 100 Euro ist die Deep-Sky-fähige Videoausrüstung komplett. Einen PC und ein Teleskop muss man allerdings schon haben. Das Fernrohr muss aber nicht groß sein, ein Einsteigergerät reicht. Auch azimutal montierte Dobsons eignen sich übrigens zur Videoastronomie, denn die Belichtungszeit der Kamera beträgt nur 20 Millisekunden. Mit Fingerspitzengefühl und etwas Übung lassen sich die Objekte auch für den kleinen ¼-Zoll-Chip ein paar Minuten nachführen. 

Der eigentliche Clou an der Sache ist die anschließende Bearbeitung. Durch das Mitteln vieler Einzelbilder wird das Signal-zu-Rausch-Verhältnis entscheidend verbessert. Auch wenn auf dem Livebild nur die hellsten Sterne sichtbar sind (beim oben beschriebenen Setup immerhin bis zur 11. Größenklasse) und der Nebel womöglich komplett im Rauschen untergeht, erhält man nach der Mittelung von einigen tausend Bildern ein fast rauschfreies Endresultat. Auf einigen meiner Bilder sind so Sterne bis zur 15. Größenklasse sichtbar. Die Bearbeitung übernehmen spezielle Programme wie etwa das oben genannte Giotto. 

Natürlich – das Modul hat auch klare Nachteile. Im Vergleich mit „richtigen“ Astrokameras ist seine Lichtstärke gering, auch lassen sich weder die Belichtungszeit noch die Verstärkung steuern. Der entscheidende Vorteil ist der Preis. Videomodule sind nicht das Nonplusultra der Deep-Sky-Fotografie, bei weitem nicht. Aber sie bieten jedem Einsteiger eine preiswerte und unkomplizierte Möglichkeit, auch lichtschwächere Objekte fotografisch festzuhalten.

Clear Skies,

Jan Hattenbach 

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

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