Schnappschuss: Epsilon Aurigae und sein Begleiter

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Ein außergewöhnlicher Schnappschuss eines außergewöhnlichen Sterns ist amerikanischen Astronomen gelungen: Er zeigt den Stern Epsilon Aurigae mitsamt seinem bisher unsichtbaren Begleiter – und zwar aufgelöst. Damit ist erstmals ein direktes Bild der ausgedehnten, undurchsichtigen Gaswolke gelungen, die sich alle 27 Jahre zwischen uns und den Stern schiebt.

Epsilon Aurigae (ε Aur) war schon mehrfach Thema hier in diesem Blog. Der veränderliche Stern, dessen Helligkeit alle 27 Jahre um die Hälfe abnimmt – und das für zwei lange Jahre – gehört zu den meistbeobachteten und doch rätselhaftesten Sternen der Galaxie. Klar war schon lange, dass die Schwankungen seiner Helligkeit von einem unsichtbaren Begleiter herrühren, der um ε Aur kreist und alle 27 Jahre genau auf der Sichtline zwischen Stern und Erde steht. Sicher war auch, dass der Begleiter sehr ungewöhnlich sein muss: Er selbst entzog sich lange Zeit einer direkten Beobachtung, beinhaltet aber mehr Masse als der Stern selbst und ist so groß, dass er das Licht von Epsilon für viele Monate abzuschwächen vermag.

 

ε Aur, ein Riesenstern in 2000 Lichtjahren Entfernung. Wie der im linken Bild eingezeichnete Maßstab zeigt, durchmisst ε Aur mehr als eine Astronomische Einheit (Astronomical Unit, AU), den mittleren Abstand Erde-Sonne. Im Jahr 2008 leuchtete er noch in voller Pracht (Links), am 3. November 2009 hatte sich sein unsichtbarer Begleiter vor ihn geschoben (Mitte). Bis zum 3. Dezember hatte der sich weiter nach Nordwest bewegt (Rechts). Seine langgestreckte, rund vier acht Astronomische Einheiten große Struktur ist gut zu erkennen. Der kleine Kreis im mittleren Bild gibt die Bildauflösung an, sie liegt bei 0,5 Millibogensekunden. (John D. Monnier, University of Michigan) 

Die lange gehegte Vermutung, dass es sich um eine ausgedehnte Gaswolke handelt, ist jetzt eindrucksvoll bestätigt worden. Ein Team von Astronomen um Brian Kloppenborg von der University of Denver ist es gelungen, den Übeltäter auf frischer Tat zu ertappen (Nature, Vol. 464, S. 870-872). Ende 2009, als sich planmäßig das Licht des Sterns ε Aur wieder abzuschwächen begann, richteten die Forscher gleich sechs Teleskope gleichzeitig auf den Ort des Geschehens. Jedes dieser Teleskope, die zum CHARA-Array gehören, einem Teleskopsystem der Georgia State University, besitzt zwar nur einen Spiegel von einem Meter Durchmesser und gehört damit zu den Zwergen unter den Teleskopen. Der Clou ist aber, dass die Teleskope als Interferometer zusammenarbeiten. Das Auflösungsvermögen, also die Fähigkeit, Details auf sehr weit entfernten Objekten wahrnehmen zu können, steigt mit dem Abstand der Teleskope zueinander, im Falle des CHARA bis zu 334 Meter. Gemeinsam erreicht das Interferometer dann ein Auflösungsvermögen, das einem einzelnen Teleskop mit einem Spiegel dieser Größe entspricht.

Um mal ein Gefühl davon zu vermitteln, was ein solches System zu leisten vermag: Die Winkelgröße des Sterns Epsilon Aurigae in der Abbildung beträgt 2,5 Millibogensekunden, also weniger als ein Millionstel Grad. Das entspricht dem Winkel, unter dem eine 1-Euro-Münze in einer Entfernung von rund 950 Kilometern erscheint! Und auf dieser Münze könnte das Teleskopsystem noch die "1" erkennen – das Auflösungsvermögen betrug tatsächlich sogar nur 0,5 Millibogensekunden. 

Die Aufnahmen zeigen die lichtabsorbierende Wolke daher in aller Deutlichkeit. Sie ist offenbar zigarrenförmig-langgestreckt und rund viermal achtmal so lang wie der Abstand Erde-Sonne. Im Maximum bedeckt sie etwa die Hälfte der Sternscheibe – so, wie es die Beobachtungen des Helligkeitsverlaufs von ε Aur erwarten ließen. Der Vergleich der Aufnahmen vom November und Dezember 2009 zeigt deutlich, wie sich diese Wolke langsam vor den Stern schiebt. 

Die Aufnahmen unterstützen ein neues Modell zur Erklärung des Epsilon-Aurigae-Systems. Die Wolke enthält nämlich nur einen winzigen Anteil der Gesamtmasse des Begleiters, weniger als ein Zehntel der Erdmasse. Die sechsfache der Masse unserer Sonne aber soll in einem kompakten Objekt im Zentrum der Wolke stecken. Dem neuen Modell zu Folge (ältere Modelle, wie das hier beschriebene gelten bereits als überholt) handelt es sich hierbei um einen B5V-Stern mit einer Photosphärentemperatur von 15.000°C (Hoard et al. Astrophys. J., in press). In diesem Modell wäre ε Aur selbst ein Überriese des Spektraltyps F (etwa 7500°C heiß), der zwar nur drei- bis viermal so viel Masse wie unsere Sonne enthält, aber 130 Mal größer ist als diese. Der B5V-Stern wäre rund 1000 Mal schwächer als der F-Stern, teilweise von der Wolke verhüllt und deswegen kaum sichtbar.

Damit wäre ε Aur ein Stern am Ende seines Lebenszyklus, der sich zum Riesenstern aufgebläht hat und dabei seine äußeren Gashüllen abwirft. Ein Teil davon wird demzufolge von seinem Begleitstern aufgesammelt und bildet damit die undurchsichtige Wolke, die das Sternlicht abschirmt. Um es ein wenig pathetisch auszudrücken: Es ist das eigene Leichentuch, mit dem Epsilon Aurigae sein Licht verbirgt!

 

Das Bild ist ein Update vom Dezember 2009. Es zeigt die Veränderung der Helligkeit von ε Aur seit dem Juli 2009. Mehr dazu in einem älteren Blogpost

Zu guter Letzt will ich noch meine eigenen aktuellen Epsilon-Aurigae-Beobachtungen anbringen! Das Thema bietet nämlich auch für Amateurastronomen reichlich Gelegenheit, ein bisschen "Wissenschaft" zu betreiben. Die Beobachtung der Verdunklung des Sterns (der im übrigen schon mit dem freien Auge zu sehen ist) ist mit Hilfe einer ganz normalen Digitalkamera und freier Software nicht schwer. Und durch das Projekt CitizenSky können Amateure den Profis helfen, auch die letzten Rätsel von ε Aur zu lüften!

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

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