Mars in Opposition – eine visuelle Entdeckungsreise

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Die Teleskope der Planetenbeobachter sind in diesen Tage auf den Mars gerichtet: Der rote Planet steht in Opposition zur Sonne. Er ist damit optimal sichtbar und ermöglicht auch den Besitzern kleinerer Teleskope einen Blick auf seine Oberfläche. Noch bis Ende Februar ist Mars damit das lohnendste Beobachtungsziel des Abendhimmels.

Von allen Planeten beobachte ich am liebsten den Mars. Schließlich ist er der einzige, dessen Oberfläche wir direkt sehen können – Merkur ist zu nah an der Sonne, Venus hüllt sich in dichte Wolken und die Gasriesen haben so etwas wie eine Oberfläche gar nicht. Außerdem faszinieren mich Wüstenlandschaften – einmal auf dem Mars herumlaufen zu können, das wäre ein echter Traum. Leider bleibt mir nur, ihn aus der Ferne zu betrachten. Und obwohl man sich heute die faszinierendsten Bilder vom roten Planeten ansehen kann, ohne dabei vom Schreibtisch aufstehen zu müssen, geht für mich doch nicht über die (quasi) Live-Beobachtung am Teleskop. Die diesjährige Marsopposition gibt wieder Gelegenheit dazu. 

Abb. 1: Die Stellung der Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars am 29. 01. 2010. Mars steht in Opposition. Grafik erstellt mit Celestia.

Unter "Opposition" versteht man in der Astronomie eine Planetenkonstellation, wie sie in Abbildung 1 gezeigt ist: Am 29. Januar 2010 stehen Sonne, Erde und Mars in einer geraden Linie zueinander, wobei der Mars von der Erde aus gesehen der Sonne genau gegenüber steht. Damit finden wir ihn um Mitternacht genau im Süden, an seinem höchsten Punkt über dem Horizont, und können ihn die gesamte Nacht über sehen. Gleichzeitig ist sein Abstand von der Erde bei besonders gering. Die Erde überholt den Mars auf der "Innenbahn" etwa alle zwei Jahre, da sie sich mit einer höheren Geschwindigkeit um die Sonne bewegt als der weiter außen kreisende Mars. Genau beim Überholen kommen sich Mars und Erde nah, eben bei der Oppositionsstellung.

Wie immer in der Astronomie, ist der Begriff "nah" hier relativ zu verstehen: 2010 beträgt der minimale Abstand der beiden Planeten immerhin 99,3 Millionen Kilometer(*). Der etwa 6800 Kilometer große Mars erscheint dann von der Erde aus gesehen als ein winzig kleines Scheibchen mit einem Winkeldurchmesser von 14,1 Bogensekunden. Eine Bogensekunde ist der 3600. Teil eines Winkelgrads. Zum Vergleich: Der Vollmond erscheint am Himmel etwa ein halbes Grad groß – misst also etwa 1800 Bogensekunden. Das gesamte Marsscheibchen erscheint im Fernrohr also nicht größer als ein kleinerer Mondkrater! Eigentlich macht die Marsbeobachtung deshalb nur während einer Opposition Sinn – zu anderen Zeiten ist der scheinbare Durchmesser des Mars noch viel kleiner.

Die Marsbeobachtung ist aus diesen Gründen schon etwas schwierig. Man benötigt vor allem ruhige, stabile Luft und ein stabil montiertes Fernrohr, das mindestens 200-300fach vergrößern kann. Zwar erkennt man auch bei niedrigerer Vergrößerung schon erste Details, etwa die helle Polarkappe, doch erst bei hoher Vergrößerung macht die Marsbeobachtung richtig Spaß. Aber nur wenn die Luft ruhig ist kann man solche Vergrößerungen überhaupt einsetzen!

Einen guten Hinweis darauf, dass die Luft ausreichend ruhig für eine erfolgreiche Marsbeobachtung ist, liefern die Sterne: Flackert ihr Licht sehr deutlich, so deutet das auf starke Turbulenzen in der Atmosphäre hin. Ist das Sterngeflimmer sehr ausgeprägt, kann man die Marsbeobachtung gleich bleiben lassen, selbst wenn der Himmel ansonsten klar ist! Gegen großräumige Luftunruhe ist man als Beobachter machtlos, doch das "lokale" Seeing kann man schon reduzieren, wenn man sein Teleskop entfernt von Gebäuden aufbaut, die die Luft erwärmen und verwirbeln. Auch muss man das Fernrohr auskühlen lassen. Erst wenn es sich an die Umgebungstemperatur angepasst hat, kann es überhaupt gute und scharfe Bilder liefern. Das Fernrohr sollte also schon einige Zeit draußen stehen, bevor man mit der Beobachtung beginnt. Für Besitzer von Newton-Spiegelteleskopen ist die exakte Justage der Optik wichtig.


Abb. 2: Screenshot des Mars Previewer zum Vergleich mit der Skizze in Abb. 3 

Auch bei optimalem Seeing, ausgekühltem Teleskop und genauer Justage ist es auf Anhieb nicht ganz leicht, Details auf der kleinen Marsscheibe zu erkennen. Zuerst wird noch die helle Nordpolarkappe auffallen. Die Polkappen bestehen im Wesentlichen aus gefrorenem Kohlendioxid. Weil die Rotationsachse des Mars gegen seine Umlaufebene um die Sonne geneigt ist, gibt es dort wie auf der Erde Jahreszeiten. Es ist eine besonders interessante Beobachtung, die Polkappen im Laufe einiger Wochen und Monate langsam kleiner werden zu sehen, und damit zu verfolgen, wie das Eis sublimiert. Mit und mit fallen dunkle Stellen auf der orange-hellen Marsoberfläche auf. Hier befindet sich dunkleres Material, das einen geringeren Anteil des Sonnenlichts zurückstrahlt, als der helle Marssand. Seltener zeigen sich auch helle Flecken. Ob zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt etwas auf der Marsoberfläche zu sehen ist, kann man mit vielen Planetariumsprogrammen überprüfen.

Mars rotiert mit 24 Stunden und 37 Minuten in etwa so schnell wie die Erde. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden zur gleichen Uhrzeit zeigt er uns also fast die gleiche Seite, aber schon nach ein paar Stunden hat er sich merklich weitergedreht. Die dunklen Albedostrukturen sind nicht gleichmäßig über seine Oberfläche verteilt. Gerade die Gegend bei 170° areographischer Länge ist recht detailarm. Ein gutes Stand-Alone-Programm für die Marsbeobachtung ist der Mars Previewer II von Lenadro Ríos. Er ist z. B. auf der Seite von Sky&Telescope herunterladbar. Mit dem Mars Previewer kann man sich den Marsanblick zu verschiedenen Zeiten angeben lassen und bekommt die wesentlichen Informationen gleich mitgeliefert, etwa den scheinbaren Durchmesser oder den Zentralmeridian (die areographische Länge, die gerade Richtung Erde zeigt). Fährt man mit dem Cursor über das Marsbild, so werden die Namen der einzelnen Gebiete angezeigt, so dass man seinen eigenen Beobachtungen auch gleich die richtigen Namen zuordnen kann.

Abb. 3: Marszeichnung, erstellt am 27.01.2010 um 02:15 MEZ. 8"-Refraktor der Sternwarte Aachen, Vergrößerung: 300x, Filter: Baader Kontrastbooster. Seeing: mittelmäßig, Norden  ist oben, Osten (am Himmel) rechts

Stellt sich nun die Frage, wie man das Gesehene festhalten kann. Prinzipiell bieten sich da zwei Möglichkeiten an: Die Fotografie (am besten per Webcam oder Videokamera) oder die Zeichnung. Das Fotografiethema ist zu komplex für diesen Blogpost, hier verweise ich auf ein sehr gutes Buch des Astrofotografen Stefan Seip. Das Zeichnen hat den Vorteil, dann man hierzu nicht mehr braucht als Stift und Papier und man außerdem noch das eigene Sehen trainiert. Mir persönlich macht das visuelle Beobachten und Zeichnen immer noch mehr Spaß als die Fotografie, auch wenn es natürlich nicht so objektiv ist, aber das ist mein persönlicher Geschmack (**). Es dürfte hoffentlich klar sein, dass man mit einem Amateurfernrohr niemals die Detailfülle sehen oder fotografieren kann, die man vom Hubbleteleskop oder den Raumsonden kennt. Ich spare mir daher solche Bilder, die man im Netz ja ohnehin leicht findet (einen Link hatte ich ja schon angegeben). Die hier gezeigte Zeichnung entstand in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar am 8"-Refraktor der Sternwarte Aachen. In dieser Nacht hatten wir zwar hochnebelartige Bewölkung, und der Mond hatte einen deutlichen Hof – doch es bewahrheitete sich wieder einmal die Erfahrungstatsache, dass sich solche Nächte oft durch geringe Luftunruhe auszeichnen.

In der Skizze erkennt man die nördliche Polkappe (oben), sowie links oben das Mare Acidalium, Acillis Pons und Niliacus Lacus. Die helle Region links in der Mitte ist die Chryse Regio, südlich davon schließt sich das dunkle Mare Erythraeum an. Der helle Fleck links unten dürfte das Mare Australe sein. Die Aufhellung auf der rechten Seite könnten Wolken bei Olympus Mons sein, dem höchsten Berg des Sonnensystems. Die Position stimmt leidlich mit der Simulation des Mars Previewer überein.

Zu guter Letzt sei noch gesagt, wo Mars überhaupt am Himmel zu finden ist: Er läuft zur Zeit durch das Sternbild Krebs und ist am Abend über dem Osthorizont als -1,3mag heller, orange-roter "Stern" gut zu sehen. Die Aufsuchkarte gilt für Ende Januar 22:00 Uhr, Mitte Februar, 21:00 Uhr und Anfang März, 20:00 Uhr (jeweils MEZ). Klaren Himmel und ruhige Luft für die nächsten Marsnächte!

Abb. 4: Der Himmelsanblick in Richtung Osten, 30. Januar 2010 gegen 22:00 MEZ, 15. Februar gegen 21:00 Uhr, 1. März gegen 20:00 Uhr.

(*) Wie die Grafik zeigt, schwanken aufgrund elliptischen Marsbahn die Oppositionsabstände zwischen Erde und Mars erheblich – sie können zwischen 55,6 und 101,3 Millionen Kilometer liegen. Entsprechend kann das Marsscheibchen zwischen 26 und 13 Bogensekunden groß sein. 2010 ist die Oppositionsentfernung verhältnismäßig groß, das Marsscheibchen also recht klein.

(**) Als Zeichenhilfe bieten sich Schablonen an, die man sich selbst herstellen kann oder auch im Internet findet, z. B. auf der Seite des Astronomischen Arbeitskreises der VHS Göttingen, wo man sie als pdf herunterladen kann. Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich, dass auch die VdS-Materialzentrale solche Schablonen anbietet. Dabei wird ein sehr effizientes Verfahren unter Nutzung modernster Informationstechnologie angewendet: Es gibt nicht die Schablone als pdf, sondern die Bestellliste. Man druckt die Bestellliste aus, schickt sie per Post an die VdS, und bekommt dann die gedruckten Schablonen wiederum per Post…  

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

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