100 Tage Doktorarbeit

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Eine neue Regierung wird nach etwa 100 Tagen das erste Mal ernsthaft bewertet. So dachte ich mir, nun, nach gut 100 Tagen meiner Doktorarbeit, einen ersten Rückblick zu wagen…

Was ist bisher passiert?
Bewerbung
Im Dezember 2006 habe ich mich entschlossen, eine Bewerbung für die "International Max Planck Research School" (IMPRS) Heidelberg abzusenden. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt erst knapp Halbzeit von meiner Diplomarbeit in Würzburg. Ende Januar 2007 erfuhr ich, dass ich auf der "hotlist" sei und damit eine erste Hürde im Bewerbungsslalom genommen hatte. Anfang März wurde ich dann zu einem Vortrag nach Heidelberg eingeladen. Im Rahmen dieses Besuchs war ich das erste Mal am MPIA: Bei dichtem Nebel fuhr ich mit IMPRS-Koordinator Chrisitian Fendt und meinem jetzigen Chef Klaus Meisenheimer im Auto den Königstuhl hoch. Irgendwann erschienen rechts die Kuppeln der Landessternwarte und dann war auch schon das MPIA zu sehen, das mir – mitten im Wald und bei Nebel – märchenhaft erschien…

Erfreulicherweise bekam ich nach dem Vortrag zwei Zusagen aus Heidelberg. Ich hatte mich außerdem auch bei den Kollegen aus Garching beworben, die mich schon vorher zu einem "applicants’ workshop" eingeladen hatten. Dabei wurden alle Bewerber drei Tage lang durch die Garchinger Institute geführt, um Vorträge zu halten und mit Leuten zu reden. In Garching waren bestimmt mindestens 50 Leute anwesend, davon schätzungsweise gut die Hälfte nicht aus Europa. Die Kosten für diesen Workshop waren bestimmt groß, aber daran sieht man, wie wichtig den Auswählenden ein gutes Auswahlverfahren ist. Schließlich kann es gerade für ein kleines Projekt entscheidend sein, den passenden Doktoranden zu finden. Aus München bekam ich ebenfalls eine Zusage und war so in der angenehmen Lage, mir eines von drei Projekten aussuchen zu können. Das Projekt am Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg schien mir das spannendste zu sein — und ich habe es bisher nicht bereut, diese Entscheidung getroffen zu haben…

Einstieg, Einarbeitung und erste Beobachtung
Ende August startete ich meine Doktorarbeit mit dem Besuch einer "VLTI Training School" in Torun, Polen. Dort gab es Vorträge und Übungsgruppen zur Vorbereitung von Beobachtungen und Auswertung von Daten, die mit dem VLTI gewonnen wurden. Gerade für mich, der ich noch nie "professionell" beobachtet hatte, war diese Schule sehr hilfreich. Mitte September 2007 ging es dann los am MPIA. Aufgrund von Platzmangel dauerte es ein paar Tage bis ich ein festes Büro bekam. Am MPIA werden Leute nicht nach Gruppenzugehörigkeit in Büros verteilt, sondern mehr oder weniger zufällig. So passiert es, dass Mitglieder der beiden Abteilungen "Planeten- und Sternenstehung" und "Galaxien und Kosmologie" zusammen im Büro sitzen, was durchaus erwünscht ist: Der wissenschaftliche Austausch über die eigene Spezialisierung hinaus wird gefördert – außerdem verwendet man oft auf unterschiedliche Probleme ohnehin dieselben Instrumente und Methoden.
In den ersten Monaten war ich ausschließlich damit beschäftigt, mich in mein neues Thema einzuarbeiten. Dazu las ich die Doktorarbeiten von meinen Vorgängern, Bücher und die auf dem Feld relevanten wissenschaftlichen Aufsätze. Bereits im November wurde ich zu einer halben Nacht Beobachtung zum VLTI nach Chile geschickt (die Erlebnisse dort habe ich in meinem privaten Blog ausführlich dokumentiert). Davor musste ich aber die Beobachtungen vorbereiten — dazu demnächst mehr. Das Kennenlernen der dazu notwendigen Programme kostete ebenfalls einige Zeit. Wieder zurück in Deutschland stand dann die Auswertung und Diskussion der Beobachtungsdaten an, wobei mich mein Vorgänger Konrad Tristram hilfreich unterstützte. Leider lieferten zwei von drei Objekten dieser Beobachtungsserie wenig brauchbare Daten, da die Nacht für die Verhältnisse dort sehr unruhig war. Aber aus den verbleibenden Daten konnten wir zumindest ein paar Schlüsse ziehen (auch dazu später mehr).

Gleich darauf wurde ich durch die Vorbereitung eines Seminarvortrags ausgelastet. Als Doktorand ist man schließlich nur zur Hälfte angestellt, um "Wissenschaft zu machen", wie das im Jargon heißt, die andere Hälfte ist man Student, besucht Seminare, hört Vorlesungen und liest und lernt.

Einen weiteren Job erhielt ich im November als ich zusammen mit meiner Kollegin Kelly Foyle zum Studentensprecher des jüngsten (= dritten) Jahrgangs der Heidelberger Astronomie-Doktorandenschule gewählt worden bin. Die Max-Planck-Gesellschaft organisiert in einigen Städten und für die verschiedensten Bereiche zusammen mit den jeweiligen Universitäten die Doktorandenausbildung in so genannten International Max Planck Research Schools (IMPRS). In unserem IMPRS-Jahrgang sind etwa 20 Studenten aus aller Herren Länder: Die meisten kommen aus verschiedenen europäischen Ländern, aber es sind auch Studenten aus Kanada, Russland und Taiwan dabei. Als Studentensprecher haben wir bisher hauptsächlich Ausflüge organisiert, um die Gruppe sozial zusammenzuhalten, stehen aber auch zur Verfügung, falls jemand zum Beispiel mit seinem Betreuer Probleme hat und einen studentischen Ansprechpartner sucht.

Strategietreffen
Letzte Woche fand ein Treffen zwischen meinem Chef und mir und unseren Kooperationspartnern aus Heidelberg, München und Bonn statt, bei dem wir besprochen haben, wie es mit unserem Projekt — der hochaufgelösten Untersuchung von Aktiven Galaxienkernen durch Modelle und Beobachtungen — weitergehen soll und welche Rolle ich darin spielen kann. In der nächsten Zeit stehen nun erstmal einige weitere Beobachtungen und die damit verbundene Datenreduktion an, aber später werde ich evtl. auch mit den Modellrechnungen am Computer beschäftigt sein, um die Simulationen mit den Beobachtungen zu vergleichen.

Wie geht’s weiter?
Vieles steht an: Nächste Woche nehme ich an der Freiburger Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft teil, auf der ich die Ergebnisse meiner Diplomarbeit vorstellen werde. Diese Tagungen sind die größten regelmäßigen Physik-Tagungen in Deutschland und ich hoffe einen guten Überblick über die aktuelle Forschung auf den verschiedenen Gebieten der Astrophysik zu erhalten und Gesprächspartner zu meinem Thema zu finden.

Wieder in Heidelberg werde ich dann die Auswertung der Daten von meiner ersten Beobachtung letzten November zusammenfassen, damit mein Chef und ich entscheiden können, wie wir mit der erfolgreich beobachteten Galaxie weiter verfahren: Ende März ist die Deadline für Beobachtungsanträge an die ESO die im nächsten Winterhalbjahr durchgeführt werden sollen. Einige Zeit werde ich auch brauchen, um den Beobachtungsantrag dann tatsächlich zu verfassen. Darin muss jedes Wort stimmen, denn die Begutachter dieser Anträge haben meist sehr viele Anträge zu bewerten und müssen in kurzer Zeit entscheiden, welche Anträge genehmigt werden und welche nicht.

Mitte April darf ich dann für eine ausführliche Beobachtungskampagne wieder nach Chile zum VLT reisen. Die Vorbereitung der Beobachtungen wird einige Zeit in Anspruch nehmen, denn für die wertvolle Zeit an den Großteleskopen will jede Minute genau geplant sein und jede Eventualtität muss bedacht werden. Sofern die Nächte gut sein werden, was ich natürlich sehr hoffe, werde ich dann mit einem Bündel DVDs heimkehren und für die darauf folgenden Wochen mit der Datenauswertung beschäftigt sein…

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

4 Kommentare

  1. Glückwunsch!

    Hallo Leonard,

    besten Dank für die interessanten Einblicke in Deine Tätigkeit. Das werden all diejenigen zu schätzen wissen, die Schüler und Studenten sind, und es Dir gleichtun wollen.
    Außerdem möchte ich Dir herzlich gratulieren! Ich hoffe, Du bist Dir bewusst, dass es etwas ganz Besonderes ist, was Du machst: Ich empfinde den Einstieg in die Profiastronomie als Privileg und als Ehre. Der Königstuhl und der Paranal sind zwei besondere Fleckchen Erde, auf denen Du Deiner Leidenschaft nachgehst.

    Ich drücke Dir die Daumen für die nächsten 100 Tage!

    Schöne Grüße aus der Bloggerecke “Einsteins Kosmos”,

    Andreas

  2. Re: Glückwunsch!

    Hallo Andreas,

    danke für Deinen freundlichen Kommentar!

    Ja, ich bin mir des Privilegs durchaus bewusst, für meine astronomische Tätigkeit mit öffentlichen Geldern finanziert zu werden. Gerade deswegen ist es auch so wichtig, in populären Beiträgen wie bei den Kosmologs etwas “zurückzugeben”…

    Viele Grüße nach Garching!
    Leonard

  3. Grüße

    Hi Leonard,

    mögen die Sterne dir für deine Arbeit wohlgesonnen sein! Das hört sich ja auch landschaftlich toll an mit der Warte im Nebel.

    Da kann die Klinik nicht ganz mithalten; sie ist dafür aber wenigstens am Waldrand.

    Viele Grüße

    Stephan

  4. sehr interessant

    Hallo Leo,

    vielen Dank für den sehr interessanten Einblick, den du uns da gewährst. Habe mir alles durchgelesen und freue mich schon auf den Bericht über die nächsten 100 Tage Doktorarbeit.

    Ganz liebe Grüße aus dem Ländle und bis bald

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