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BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Es gibt Reiseführer die behaupten, dass es in der Atacama-Wüste Orte gäbe in denen es seit über 100 Jahren keinen Tropfen Wasser geregnet hat. Spätestens seit gestern gehört der Paranal leider nicht mehr dazu. Bereits am Nachmittag war die ansonsten gute Sicht von der Residencia zum VLT vernebelt und unser "day astronomer" Thomas Rivinius meinte dann schon, das würde wohl nichts werden heute. Der ganze Winter (zur Erinnerung: auf der Südhalbkugel ist gerade Winter) sei schon außergewöhnlich schlecht gewesen, vor ein paar Wochen lag hier sogar Schnee.

 

 

 Blick Richtung VLT von der Residencia aus: VLT im Nebel

Meine Kollege Marc Schartmann und ich folgten trotzdem dem normalen Prozedere für "visiting astronomers" und aßen zusammen mit der Nacht-Crew zu Abend und fuhren dann mit unserem "night astronomer" hoch zur Plattform. Der "day astronomer" kümmert sich tagsüber um die Instrumente und ist Ansprechpartner für Besucher wie uns, wenn Fragen zur Beobachtungsvorbereitung auftauchen. Der "night astronomer" dagegen ist derjenige, der nachts am Instrumentenbildschirm sitzt und die Beobachtungen ausführt, nach Absprache mit den Besuchern.

 Angekommen am Paranal sahen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Wolkenformationen, die nicht nur für Wolken-Fans beeindruckend aussehen. Natürlich hätten wir trotzdem lieber einen langweiligen blauen Himmel gesehen…

Blick vom Paranal Richtung Nordwesten: Gefangen zwischen den Wolkendecken (Bild: Marc Schartmann) 

Offensichtlich hatten aber noch nicht alle Astronomen vor Ort die Hoffnung aufgegeben, denn wir sollten uns im Kontrollraum bereithalten für den Fall, dass es doch noch besser wird. Also saßen wir an der VLTI-Konsole, bereiteten weitere Beobachtungen vor und diskutieren allerlei beobachterische Details mit unserem Nacht-Astronomen Antoine Merand. Das Kontrollzentrum selbst erlaubt nachts keinen Blick nach draußen: Die Wand zu den Teleskopen hin hat gar keine Fenster und die Fenster, die von den Teleskopen wegzeigen sind nachts vollkommen abgedunkelt (alle paar Türen hängt ein schwarzes Blatt Papier mit weißen Aufdruck "Dark is beautiful", was wohl alle dazu ermuntern soll noch weniger Licht anzumachen und auch Taschenlampen sparsam zu gebrauchen). Um die aktuellen Wetterbedingungen zu prüfen haben wir daher immer wieder den Wettermonitor geprüft, den man sich auch im Internet anschauen kann. Für die gestrige Nacht sah er so aus:

 Wettermonitor-Anzeige für die Nacht vom 28. Mai 2010 auf dem Cerro Paranal (Quelle: ESO)

Die Anzeigen auf der rechten Seite sind leer, weil die normalerweise mit einem kleinen Teleskop anhand von Sternenbeobachtungen erstellt werden. 

Wir hätten gestern die erste Nachthälfte (etwa 5 Stunden) beobachtet. Kurz vor Ende dieser Nachthälfte aber hat der "safety officer" angeordnet, dass alle das Gebäude zu verlassen und zur Residencia zurückzukehren zu haben. Die Temperatur war gefährlich nahe an Null und es regnete. Dadurch kann sich die sehr steile Straße zwischen Residencia und Paranal zu einer Eisfläche verwandeln, auf der man besser nicht mit einem kleinen Fiat Punto ohne Licht entlanggondelt… Also packten wir unsere Sachen eben wieder zusammen und fuhren runter. Die Residencia bot dann einen weiteren ungewohnten Anblick: Da es hier ja normalerweise wirklich nie regnet, ist die Residencia nicht ganz regendicht gebaut. Wenn es heftig regnet, kann aber bei den beiden nordöstlichen Eingängen, die abschüssig gebaut sind, das Wasser herein rinnen. Deswegen wurden vor den beiden Eingängen Sandsäcke aufgebaut, so dass man meinen hätte können, die Sintflut naht. Außerdem wissen die Gebäudemanager wohl genau an welchen Stellen es durch die Fenster reintropft und es wurden etliche Decken und Eimer im gesamten Gebäude verteilt.

 

 Die Residencia bei Nacht und Regen (Bild: Marc Schartmann)

Um mir den Nachtrhythmus nicht ganz zu verderben, bin ich dann noch ein Weilchen wach geblieben, habe noch ein paar Dinge für die hoffentlich erfolgreicheren Beobachtungen der nächsten Tage vorbereitet und bin dann gegen 4 Uhr müde ins Bett gefallen.

  • Veröffentlicht in: VLT
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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

4 Kommentare

  1. Oha…

    Hey Leo,

    Unwetter auf dem Paranal, das scheint mir dann noch spektakulärer als das Erdbeben, das ich letztes Jahr dort erlebte.

    Als ich 2006 auf dem Paranal war, habe ich mal drei Stunden Beobachtungszeit verloren wegen einer Wolkenbank, die bedrohlich am Horizont herumlungerte – aber auf den MASCOT-Bildern sah man die Milchstraße funkeln. Das war schon fies.

    Aber gegen deine Erlebnisse ist ein Bild wie http://www.hs.uni-hamburg.de/…e2006/imgp5792.jpg ja harmlos…

    Die Daten von der Ambient Conditions Database lassen sich übrigens nicht nur über das Webinterface abrufen sondern auch herunterladen – so konnte ich letztes Jahr ganz wunderprächtig Seeingwerte bis 4″ und Luftfeuchten bis zu 60% mit der Qualität meiner Daten korrellieren.

    PS. Ein ganz ähnliches Bild wie das erste hatte ich gestern auch, als ich von meiner ATT-Tour heimkehrte. Der verhüllte Berg war allerdings der Königstuhl…

  2. Es geht weiter

    Hey Caro,
    komme gerade von unserem heutigen Run zurück: Bis wir mit dem Interferometer MIDI beobachten können, muss die Quelle ja zunächst in zwei Teleskopen zu sehen sein und dazu müssen allerlei Subsysteme laufen (Guiding, Adaptive Optik für die Atmosphäre, Adaptive Optik für die Delay Lines Tunnel — ja, es gibt sowas wie “Tunnel Seeing”…). Als wir die erste Quelle gerade bis zum AO-System für die Delay-Lines gebracht hatten, mussten die Teleskope für 4 Stunden geschlossen werden wegen heftigen Windes. :-((
    Mein Kollege und ich haben die Zeit genutzt und haben einen wunderschönen Mondaufgang gesehen, außerdem eine recht hübsche Milchstraße und Omega Cen mit bloßem Auge. Aber lieber wären uns ein paar “Fringes” gewesen! Am Ende der Nacht haben wir dann immerhin noch zwei Stunden Daten aufnehmen können. Morgen haben wir nochmal eine ganze Nacht, mal hoffen, dass es dann besser wird…
    Grüße aus der Residencia,
    Leo

  3. Mond

    Bei der Phase müsste der Mond dort unten doch beinahe durch den Zenit gehen…stört das deine Messungen nicht?

    Irgendwie ist es tröstend, dass auch das VLT beizeiten mal mit den Elementen zu kämpfen hat 😉

    Viel Erfolg noch!

  4. Mond

    Hi Jan,
    ja, wir haben derzeit fast Vollmond und er wandert hier praktisch durch den Zenit. Das stört unsere Messungen aber nicht, da wir im Mitt-Infrarot-Bereich (8-13 Mikrometer) beobachten, wo das Streulicht durch Mond in der Atmosphäre (proportional zu 1/Wellenlänge^4) vernachlässigbar ist. Wir dürfen nur nicht zu nahe an den Mond kommen (>~ 30 Grad), denn das AO-System arbeitet im Optischen und wird kann verwirrt werden, wenn es zuviel Streulicht sieht.

    Am VLT gibt es sowohl Infrarot-Instrumente (VISIR, CRIRES, SINFONI, NACO, …) als auch Kameras, die im Optischen arbeiten (z.B. FORS). Je nach Mondphase wird die passende Wellenlänge ausgewählt.

    Das hat für uns Mitt-Infrarot-Beobachter leider den Nachteil, dass wir fast nie einen richtig dunklen Himmel hier sehen, weil wir natürlich immer die “bright time” bekommen. Immerhin geht der Mond heute ja etwa drei Stunden nach Sonnenuntergang auf, so dass wir notfalls am Anfang der Nacht etwas vom Himmel bewundern können — d.h. wenn die Bedingungen wieder zu schlecht für VLTI-Beobachtungen sind…

    Viele Grüße,
    Leo

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